- 1. Vorbemerkung
1. Vorbemerkung
Vorbemerkung
Das Bundeslagebild OK wird vom Bundeskriminalamt (BKA) auf Grundlage der im Mai 1990 von der Gemeinsamen Arbeitsgruppe (GAG) Justiz/Polizei eingeführten Arbeitsdefinition „Organisierte Kriminalität“ in Zusammenarbeit mit den Landeskriminalämtern, dem Bundespolizeipräsidium und dem Zoll erstellt. Das BKA erhebt die im Berichtszeitraum anhängigen OK-Verfahren jährlich nach einem bundesweit einheitlichen Raster, losgelöst von der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Die erhobenen OK-Verfahren unterteilen sich in Erstmeldungen (OK-Verfahren, die im Berichtsjahr erstmals gemeldet wurden) und Fortschreibungen (OK-Verfahren, die im Berichtsjahr weitergeführt wurden).
Dieses Bundeslagebild bildet die Ergebnisse polizeilicher Strafverfolgungsaktivitäten im Bereich der Organisierten Kriminalität ab. Es stellt eine Beschreibung des Hellfeldes, also der polizeilich bekannt gewordenen Kriminalität dar, ohne aus den statistischen Grunddaten valide Einschätzungen zu Art und Umfang eines möglichen Dunkelfeldes ableiten zu können.
Die OK stellt ein erhebliches Gefahren- und Bedrohungspotenzial für Staat und Gesellschaft dar. Sie agiert hierbei oft im Verborgenen und bedient sich lageangepasst neuer Modi Operandi, um ihre Einflusssphären gezielt auszubauen. Insgesamt wächst und verändert sich die Bandbreite der zu beobachtenden OK-Phänomene durch neue Möglichkeiten der Tatbegehung sowie weitere, internationale Entwicklungen stetig. In diesem Zusammenhang eröffnen weltweite Veränderungen, wie bspw. Migrationsbewegungen, die anhaltende Globalisierung sowie die fortschreitende Digitalisierung aller Lebensbereiche, kriminellen Strukturen fortlaufend neue Handlungsoptionen und Aktionsräume.
3.1 Allgemeine Verfahrensdaten
Arbeitsdefinition „Organisierte Kriminalität
"Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig
- A unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,
- B unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder
- C unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft
zusammenwirken.“
Die Arbeitsdefinition „Organisierte Kriminalität“, welche im Mai 1990 von der GAG Justiz/Polizei verabschiedet wurde, ist Grundlage für die Erhebung der OK-Verfahren des Bundeslagebilds OK.
Zur Organisierten Kriminalität wird ein Verfahren immer dann gezählt, wenn alle generellen Merkmale der oben genannten OK-Definition erfüllt sind und zusätzlich mindestens eine der drei Alternativen a) bis c) bejaht werden kann.
3.2 Finanzielle Aspekte
Schaden
Der Schaden entspricht grundsätzlich dem Geldwert (Verkehrswert) des rechtswidrig erlangten Gutes. Bei Vermögensdelikten ist unter Schaden die Wertminderung des Vermögens zu verstehen.
Bei den ausgewiesenen Werten im Bundeslagebild OK handelt es sich um Schäden, die unmittelbar aus den Straftaten resultieren, ohne Berücksichtigung etwaiger Folgekosten. Es sind auch Schadenswerte berücksichtigt, die z. B. bei Sachbeschädigungen durch Eigentums- oder Gewaltdelikte entstanden sind. Beispielhaft zu nennen wären hier Gebäudeschäden bei Geldautomatensprengungen.
Mittelbare Schäden sind nicht erfasst.
Kriminelle Erträge
Kriminelle Erträge sind Vermögenswerte, die Täterinnen und Täter, Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tat oder dritte Personen aus oder für die Tat erlangt haben.
Die Berechnung erfolgt nach dem Bruttoprinzip unter Beachtung des § 73 d Abs. 1 StGB.
Vorläufige Vermögenssicherung
Bei der vorläufigen Vermögenssicherung handelt es sich um ein rechtliches Verfahren, bei dem Vermögenswerte, die durch kriminelles Verhalten erwirtschaftet worden sind, vom Staat im Ermittlungsverfahren zugunsten staatlicher Einziehungsansprüche oder zivilrechtlicher Ansprüche Geschädigter vorläufig gesichert werden. Die vorläufige Sicherung dauert an, bis im Rahmen eines Gerichtsverfahrens endgültig darüber entschieden wird, ob die Vermögenswerte dem Verfall oder der Einziehung unterliegen bzw. wieder herausgegeben werden müssen.
Die Befriedigung der Ansprüche der Verletzten erfolgt in der Regel im Strafvollstreckungsverfahren.
3.3 Tatverdächtige und Strukturen der OK-Gruppierungen
Dominierende Staatsangehörigkeiten
Für die Feststellung der dominierenden Staatsangehörigkeit einer OK-Gruppierung ist die Staatsangehörigkeit der Person ausschlaggebend, die innerhalb einer OK-Gruppierung die Führungsfunktion einnimmt.
Dabei muss nicht zwingend die Mehrheit innerhalb einer Gruppierung diese Staatsangehörigkeit besitzen.
3.4 Aktuelle Schwerpunktbetrachtungen
3.4.2 OK und Gewalt
Aufschlüsselung der Gewalttaten nach PKS Schlüssel für das Bundeslagebild OK
Die Erfassung dieser Straftaten für das Bundeslagebild OK erfolgte unter Anwendung der PKS-Straftatenschlüssel, um Einheitlichkeit in der Erhebung und anschließenden Beschreibung der Gewalttaten zu ermöglichen.
Körperverletzungsdelikte
Körperverletzung | PKS-Straftatenschlüssel 220000 |
Vorsätzliche leichte Körperverletzung | PKS-Straftatenschlüssel 224000 |
Gefährliche und schwere Körperverletzung | PKS-Straftatenschlüssel 222000, 222010, 222020, 222100, 222110, 222120 |
Tötungsdelikte
Straftaten gegen das Leben | PKS-Straftatenschlüssel 000000 |
Mord | PKS-Straftatenschlüssel 010000, 010079 |
Totschlag §212 StGB | PKS-Straftatenschlüssel 020010 |
Bei der Erhebung von Tötungsdelikten für das Bundeslagebild OK ist nicht immer eine konkrete Zuordnung der Straftat und Eingrenzung in Mord, Totschlag oder andere Formen von Tötungsdelikten möglich. Dies kann dazu führen, dass Tötungsdelikte dann allgemein unter „Straftaten gegen das Leben“ gemeldet wurden.
Die eindeutige Kennzeichnung einer Straftat bzw. einer Straftatengruppe erfolgt gemäß PKS-Straftatenkatalog. Die Bezeichnung einer Straftat gemäß PKS orientiert sich nicht ausschließlich an der Rechtsnorm, sondern kann zusätzliche Merkmale (z. B. Tatörtlichkeit, erstrebtes/erlangtes Gut) enthalten (z. B. 371000 einfacher Diebstahl von Betäubungsmitteln aus Apotheken).
Eine Übersicht aller Straftaten- und Summenschlüssel ist auf der BKA-Website abrufbar.
3.4.4 OK und Zuwanderung
Zuwanderin/Zuwanderer
Analog der Festlegungen in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) ist eine tatverdächtige Person Zuwanderin/Zuwanderer, wenn sie sich mit dem Aufenthaltsstatus „Asylbewerber“, „International/national Schutzberechtigte und Asylberechtigte“, „Duldung“, „Kontingentflüchtling“ oder „unerlaubter Aufenthalt“ in Deutschland aufhält.
7.4 Klassische Gruppierungen der OK
7.4.1 Rockergruppierungen und rockerähnliche Gruppierungen
Rockergruppierungen
In Deutschland existieren rund 700 Chapter/Charter mit ungefähr 7.800 Angehörigen von Rockergruppen. Dazu zählen u.a. örtliche Zusammenschlüsse der international bekannten Outlaw Motorcycle Gangs (OMCG), Bandidos MC (BMC), Gremium MC (GMC) und Hells Angels MC (HAMC) sowie deren Supporterclubs.
Außerdem existieren Rockerclubs, die zumeist nur regional agieren. Kriminalität, die durch Angehörige dieser Gruppen begangen wird, reicht von Rauschgiftdelikten über Gewaltdelikte bis hin zu Kriminalität in Zusammenhang mit dem Nachtleben oder der Wirtschaft.
Wegen der Kurzlebigkeit einiger dieser Zusammenschlüsse und der personellen Fluktuation unterliegen die Zahlen der existierenden Clubs und zugehörigen Mitglieder einer dynamischen Entwicklung.
Rockerähnliche Gruppierungen
Rockerähnliche Gruppierungen sind im Vergleich zu Rockergruppen ähnlich hierarchisch strukturiert, haben das gleiche Selbstverständnis, dokumentieren ihre Zusammengehörigkeit durch Kleidung oder Symbole nach außen und betätigen sich in den gleichen Kriminalitätsbereichen. Der Unterschied zu Rockergruppen besteht in der fehlenden „Motorradpflicht“. Das Motorrad spielt nur eine untergeordnete Rolle.
Wegen der Kurzlebigkeit einiger dieser Zusammenschlüsse und der oft hohen personellen Fluktuation unterliegen die Zahlen der existierenden Clubs und zugehörigen Mitglieder einer dynamischen Entwicklung.
7.4.3 Russisch-Eurasische Organisierte Kriminalität
Russisch-Eurasische Organisierte Kriminalität
Das verbindende Element der Russisch-Eurasischen Organisierten Kriminalität (REOK) kann in den kulturellen Gemeinsamkeiten der Nachfolgestaaten der Sowjetunion gesehen werden. Demnach fallen unter REOK alle OK-Strukturen, die
- von Personen dominiert werden, welche in einem der postsowjetischen Staaten geboren wurden und im Kontext von Kriminalität kulturelle und soziale Ideale der Abschottung, Stärke und Entschlossenheit aufweisen oder
- von Personen dominiert werden, welche außerhalb eines postsowjetischen Staates geboren wurden, sich aber aufgrund ihrer Kultur, Geschichte, Sprache, Traditionen oder Vorfahren den zuvor genannten Idealen verpflichtet und zugehörig fühlen.
In Deutschland zählen hierzu insbesondere auch jene Aussiedler und Spätaussiedler aus dem postsowjetischen Raum, die diese Ideale in OK-Gruppierungen umsetzen.
Ein maßgeblicher Bestandteil der REOK ist die Ideologie der traditionell als „Diebe im Gesetz“ bezeichneten kriminellen Autoritäten. Sie orientieren sich an einem eigenen Normen- und Wertesystem und sind einem eigenen Kodex verpflichtet. Mit dieser Ideologie sind die aus den lokalen Banden des postsowjetischen Russlands der 1990er-Jahre hervorgegangenen kriminellen Organisationen, die sog. Syndikate, eng assoziiert.
7.4.4 Clankriminalität
Clankriminalität
Ein Clan ist eine informelle soziale Organisation, die durch ein gemeinsames Abstammungsverständnis ihrer Angehörigen bestimmt ist. Sie zeichnet sich insbesondere durch eine hierarchische Struktur, ein ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl und ein gemeinsames Normen- und Werteverständnis aus.
Clankriminalität umfasst das delinquente Verhalten von Clanangehörigen. Die Clanzugehörigkeit stellt dabei eine verbindende, die Tatbegehung fördernde oder die Aufklärung der Tat hindernde Komponente dar, wobei die eigenen Normen und Werte über die in Deutschland geltende Rechtsordnung gestellt werden können. Die Taten müssen im Einzelnen oder in ihrer Gesamtheit für das Phänomen von Bedeutung sein.
Im Bundeslagebild OK wird die Organisierte Clankriminalität betrachtet, die lediglich eine Teilmenge der strafbaren Handlungen krimineller Clanangehöriger darstellt. Die im Bundeslagebild OK dargestellten OK-Gruppierungen erfüllen neben der Definition Clankriminalität auch die OK‑Definition.
Bei der Betrachtung des Phänomens Clankriminalität im Bundeslagebild OK stehen ausschließlich kriminelle Clanangehörige im polizeilichen Fokus. Die Definition fokussiert auf das kriminelle Verhalten einzelner Personen und nicht auf den gesamten Clan per se.
7.5 Hauptdeliktsbereiche
7.5.7 Cybercrime
Cybercrime
Polizeilich wird Cybercrime in zwei grundlegende Typen unterschieden.
Cybercrime im engeren Sinne:
Straftaten, die sich gegen das Internet, Datennetze, informationstechnische Systeme oder deren Daten richten.
Cybercrime im weiteren Sinne:
Straftaten, die mittels Informationstechnik begangen werden.
7.5.10 Menschenhandel und Ausbeutung
Rechtliche Einordnung der Hauptdeliktsbereiche Menschenhandel und Ausbeutung
Sexuelle Ausbeutung (§§ 232, 232a, 233a, 180a, 181a StGB)
Arbeitsausbeutung (§§ 232, 232b, 233, 233a StGB)
Ausbeutung bei der Ausübung der Bettelei (§§ 232, 232b, 233, 233a StGB)
Ausbeutung bei der Begehung von mit Strafen bedrohten Handlungen (§§ 232, 233, 233a StGB)
Organhandel (§232 Abs. 1 Alt. 3 StGB)
Zwangsheirat (§237 Abs. 1 StGB)
7.5.13 Kriminalität im Zusammenhang mit dem Nachtleben
7.5.13 Kriminalität im Zusammenhang mit dem Nachtleben
Unter dem Hauptdeliktsbereich Kriminalität i. Z. m. dem Nachtleben werden im Rahmen der OK-Lageerhebung unter anderem folgende Aktivitätsfelder erfasst:
- Ausbeutung von Prostituierten
- Illegales Glücksspiel
- Zuhälterei
- Sonstiges
unter dem Hauptdeliktsbereich Kriminalität i. Z. m. dem Nachtleben erfasst.