Bundeskriminalamt (BKA)

Abteilung "Islamistisch motivierter Terrorismus/Extremismus" (TE)

Abteilung „Islamistisch motivierter Terrorismus/Extremismus“ (TE)

Die Abteilung „Islamistisch motivierter Terrorismus/Extremismus“ (TE) des BKA mit Sitz in Berlin wurde zum 1. November 2019 eingerichtet. Durch die Gründung einer ausschließlich für den Phänomenbereich Politisch motivierte Kriminalität (PMK) -religiöse Ideologie- zuständigen Abteilung wurde ein wichtiger Schritt vollzogen, um operative und analytische Fähigkeiten im BKA auszubauen und den religiös motivierten Terrorismus gemeinsam mit den anderen Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder effizienter und nachhaltig zu bekämpfen. Der Grundstein für die Bearbeitung religiös motivierter Straftaten wurde bereits im Jahr 2000 am Standort des BKA in Meckenheim gelegt.

Anschlagsgeschehen weltweit

Seit den Ermittlungen gegen die sog. „Meliani-Gruppe“, welche im Dezember 2000 einen Anschlag in Straßburg/Frankreich geplant hatte, wurde der Aufwuchs im Phänomenbereich PMK -religiöse Ideologie- innerhalb des BKA schrittweise fortgesetzt. Die Bedrohung durch den religiös motivierten Terrorismus manifestierte sich schließlich grundlegend am 11. September 2001 durch die schweren Anschläge in den USA.

Danach gab es im Ausland weitere Anschläge, bei denen deutsche Staatsangehörige zu den Opfern zählten. So starben im Jahr 2002 bei einem Anschlag auf eine Synagoge auf der Ferieninsel Djerba/Tunesien insgesamt 23 Menschen, darunter 14 deutsche Touristen. Im Oktober 2002 kamen bei einem Anschlag auf Bali/Indonesien mehr als 200 Menschen ums Leben, darunter sechs Deutsche.

Um eine Bündelung von Erkenntnissen und den schnellen Austausch von Informationen durch die Sicherheitsbehörden zu intensivieren, wurde nach den Anschlägen in den USA und einem weiteren Anschlag in Madrid/Spanien im Dezember 2004 das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) in Berlin eingerichtet. Den 40 dort vertretenen Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder aus Polizei, Justiz, Nachrichtendiensten und Zoll sowie dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge steht in diesem Rahmen – unter Beachtung des Trennungsgebotes *1 – eine Kooperationsplattform zum Austausch von Informationen zur behördenübergreifenden Abstimmung zur Verfügung.

*1 Das Trennungsgebot besagt, dass Polizei und Nachrichtendienste funktional, organisatorisch sowie in Bezug auf Befugnisse und Datenaustausch getrennt sein sollen.

Auch in den Folgejahren spiegelte sich die Zunahme terroristischer Aktivitäten vor allem im Anschlagsgeschehen in weltweiten Krisengebieten wider. Brennpunkte und Kriegsschauplätze stellten zwischen 2005 und 2012 insbesondere der Irak, Pakistan, Afghanistan, Somalia und Jemen dar.

In den Folgejahren spiegelte sich die Zunahme terroristischer Aktivitäten vor allem im Anschlagsgeschehen in weltweiten Krisengebieten wider. Brennpunkte und Kriegsschauplätze stellten zwischen 2005 und 2012 insbesondere Irak, Pakistan, Afghanistan, Somalia und Jemen dar.

Anschlagszenarien in Deutschland

Internationale Krisen haben auch Auswirkungen auf die Geschehnisse in Deutschland. So konnte etwa im Jahr 2007 ein Anschlag auf Regionalzüge in Hamm und Koblenz mit größerer Mengen Chemikalien durch die sogenannte „Sauerland-Gruppe“ verhindert werden. Zudem wurde im Jahr 2012 ein Sprengstoff-Anschlag im Bonner Hauptbahnhof erfolgreich abgewendet. Der erste vollendete islamistisch motivierte Terroranschlag auf deutschem Boden ereignete sich am 2. März 2011 am Flughafen Frankfurt am Main und forderte zwei US-amerikanische Todesopfer, zwei weitere Personen wurden schwer verletzt.

Seitdem gab es auch in Europa eine Reihe vollendeter Anschläge und Anschlagsversuche. Vor allem in den Jahren 2015 bis 2017 kam es zu folgenschweren Anschlagsgeschehen in Westeuropa (November 2015: Paris/Frankreich, März 2016: Brüssel/Belgien und August 2017: Barcelona/Spanien), die auf die Entwicklungen im Konflikt in Syrien und im Irak sowie auf das Erstarken des sog. ISLAMISCHEN STAATS (sog. IS) zurückzuführen sind.

Insbesondere im Jahr 2016 wurde die Bundesrepublik Deutschland zum Schauplatz diverser islamistischer Anschläge. Zunächst wurde im Februar 2016 ein Bundespolizist am Hauptbahnhof Hannover/Niedersachsen durch eine Messerattacke verletzt; es folgten ein Sprengstoffanschlag im April 2016 auf ein Sikh-Gebetshaus in Essen/Nordrhein-Westfalen, ein Angriff mittels einer Axt im Juli 2016 in einem Regionalzug in Würzburg/Bayern und ein weiterer versuchter Sprengstoffanschlag in Ansbach/Bayern im Juli 2016.

Der Anschlag mit den bislang meisten Todesopfern und Verletzten in der Bundesrepublik Deutschland ereignete sich am 19. Dezember 2016 in Berlin am Breitscheidplatz mit insgesamt 13 Toten und 60 Verletzten.

Auch die Ereignisse der folgenden Jahre verdeutlichen eine bis heute anhaltende Bedrohungslage durch den islamistischen Terrorismus. Dies belegen unter anderem die Anschlagsserie in Waldkraiburg/Bayern auf Gewerbeeinrichtungen (April bis Mai 2020), der Messerangriff in Dresden/Sachsen (Oktober 2020), der Messerangriff in einem ICE im Landkreis Neumarkt/Bayern (November 2021) sowie die Messerangriffe in Duisburg/Nordrhein-Westfalen (April 2023).

Seit dem Jahr 2000 gab es innerhalb der Bundesrepublik Deutschland insgesamt elf vollendete islamistisch motivierte Angriffe/Anschläge, 25 verhinderte Anschläge und fünf technisch gescheiterte Anschläge (Stand Januar 2024).

Zudem konnte seit dem Jahr 2013 ein Zuwachs des islamistischen Personenpotentials *2 in Deutschland verzeichnet werden. Insbesondere die Zahl der als sog. „Gefährder“ *3 eingestuften Personen hatte sich seit 2013 zwischenzeitlich nahezu verfünffacht. Seit 2017 sind die Gefährderzahlen gesunken, bewegen sich aber dennoch auf hohem Niveau.

*2 Das islamistische Personenpotential setzt sich aus den Mitglieder- und Anhängerzahlen der einzelnen Beobachtungsobjekte im Phänomenbereich des islamistischen Terrorismus/Extremismus zusammen.

*3 Ein Gefährder ist eine Person, zu der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a StPO, begehen wird.

Eine Beschreibung des Graphen "Entwicklung der Gesamtzahl von Gefährdern im Phänomenbereich Islamistischer Terrorismus/Extremismus (2013–2022)" finden Sie in der Langbeschreibung. Entwicklung der Gesamtzahl von Gefährdern im Phänomenbereich Islamistischer Terrorismus/Extremismus (2013–2022)

Die Gefahr für jihadistisch motivierte Gewalttaten ist weiterhin hoch. Die Bundesrepublik Deutschland steht unverändert im unmittelbaren Zielspektrum terroristischer Organisationen, u. a. des sog. Islamischen Staates (IS), (Kern-)AL-QAIDA (AQ), deren Regionalorganisationen sowie weiteren ideologisch verbundenen Gruppierungen. Die Taten geschehen sowohl durch alleine handelnde Personen, als auch durch (Kleinst-)Gruppen. Alle haben die propagandistische Vereinnahmung durch terroristische Gruppierungen gemeinsam – einige bereits vor der Tat, manche erst im Nachhinein.

Zusätzlich tatmotivierend können aktuelle Entwicklungen in Krisen-/Kriegsgebieten weltweit wirken, die dazu geeignet sind, eine hohe Gefährdungsrelevanz auf die Sicherheitslage in Deutschland zu entfalten. Dies kann mit einem erhöhten Emotionalisierungs- und Mobilisierungsgeschehen in Deutschland einhergehen.

Zentral- und Serviceangelegenheiten, Ermittlungsunterstützung

Servicereferate und ermittlungsunterstützende Bereiche mit besonderer Spezialisierung sind innerhalb der Abteilung TE in einer eigenen Fachgruppe gebündelt. Sie ergänzen die operativen Fähigkeiten der Abteilung und entlasten zugleich die Ermittlungsreferate. Im Zuge des digitalen Wandels sichern die Arbeitsbereiche die Zukunftsfähigkeit des BKA im Bereich der „digitalen Terrorismusbekämpfung“.

So wurde nach dem Vorbild des GTAZ bereits im Jahr 2007 das Gemeinsame Internetzentrum (GIZ) etabliert, um der wachsenden Bedeutung des Internets und der Sozialen Netzwerke Rechnung zu tragen. Das Internet stellt seit geraumer Zeit eine Plattform im Bereich des religiös motivierten Terrorismus dar, um Propaganda zu verbreiten, „im Stillen“ zu radikalisieren und insbesondere junge Menschen zu rekrutieren. Mehrere Bundessicherheitsbehörden arbeiten im GIZ eng zusammen, um islamistische und jihadistische Inhalte im Internet einem Monitoring zu unterziehen und die Inhalte zu bewerten.

Im Jahr 2015 wurde bei Europol die Europäische Internet Referral Unit (EU IRU) eingerichtet. Diese Stelle sichtet relevante Profile und Kanäle in Sozialen Medien, um Propaganda, Drohungen oder Selbstbekennungen terroristischer Gruppierungen herauszufiltern. Seit einigen Jahren hat auch die deutsche Internet Referral Unit (IRU) in der Abteilung TE ihre Arbeit in institutionalisierter Form als nationale Meldestelle für terroristische Inhalte aufgenommen.

In regelmäßig wiederkehrenden Referral Action Days (RAD) werden durch die koordinierte Zusammenarbeit von der EU IRU und den IRUs der Mitgliedstaaten terroristische Propagandaseiten und -kanäle ausfindig gemacht und ihre Löschung bei den Internetdienstanbietern angeregt.

Die Abteilung TE fungiert in der Zusammenarbeit mit Partnern auf internationaler Ebene als Zentralstelle für islamistisch motivierten Terrorismus/Extremismus in Deutschland und ist daher häufig Erstkontakt für ausländische Dienststellen. In internationalen Gremien gewährleistet die Abteilung TE den fachlichen Kontakt zu ausländischen Behörden.

Nennenswert sind auf EU-Ebene auch internationale Kooperationen, wie das European Counter Terrorism Centre (ECTC) von Europol. In dem Programmausschuss für Terrorismusbekämpfung bei Europol, dem „Counter Terrorism Programme Board“ (CTPB), sind die Leiter der Terrorismusabwehrabteilungen der nationalen Zentralstellen vertreten, um die Arbeit des ECTC strategisch auszugestalten und zu koordinieren. Das ECTC wurde bei Europol eingerichtet, um den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung auf europäischer Ebene zu intensivieren.

Zentralstelle islamistisch motivierter Terrorismus/Extremismus

Das BKA ist kriminalpolizeiliche Zentralstelle der deutschen Polizei. In dieser Funktion unterstützt es die Polizeien des Bundes und der Länder bei der Verhütung und Verfolgung von Straftaten mit länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung (§ 2 BKAG). Mit der Einrichtung der Abteilung TE konnte bereits eine Stärkung der Zentralstelle in diesem Bereich bewirkt werden.

In den Zentralstellenbereichen wird nationaler und internationaler Informationsaustausch durchgeführt. Eine grenzüberschreitende Kooperation erfolgt auch hier unter Nutzung von Plattformen polizeilicher Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden, wie dem Europäischen Polizeiamt Europol oder auch in Einzelfällen mit der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (IKPO-Interpol) und den Verbindungsbeamten des BKA.

Risikomanagement

Seit 2017 gibt es im GTAZ die Arbeitsgruppe (AG) „Risikomanagement“. Ziel ist ein personenbezogenes Risikomanagement in der Gefährdersachbearbeitung und -bewertung. Bei der Risikobewertung islamistischer Gewalttäter kommt das Risikobewertungsinstrument Regelbasierte Analyse potentiell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos – islamistischer Terrorismus (RADAR-iTE) zum Einsatz. Die mit diesem Instrument priorisierten Personen werden einer individuellen Risikoanalyse unterzogen, um im Rahmen der AG Risikomanagement eine Bewertung der Person hinsichtlich ihres Risikopotentials für die Begehung einer politisch motivierten Gewalttat im Bereich der religiösen Ideologie in Deutschland vorzunehmen. In der Folge können die Sicherheitsbehörden zu jeder beurteilten Einzelperson die jeweils erforderlichen Maßnahmen abstimmen.

Zusammenarbeit im Umgang mit Rückkehrern

Eine besondere Gefährdung kann insbesondere von Personen ausgehen, die in den vergangenen Jahren in Konfliktregionen gereist sind, dort (weiter) radikalisiert wurden, eine terroristische Ausbildung erhielten oder an Kampfhandlungen teilnahmen und anschließend wieder in das Bundesgebiet zurückkehren.

Reisebewegungen erfolgten bis 2011/2012 primär in die pakistanisch-afghanische Grenzregion. Weitaus stärkere Ausreisebewegungen sind ab 2012 zunächst nach Ägypten und Libyen zu verzeichnen, ab 2014 dann nach Syrien und in den Irak. Sie wurden durch eine immens zunehmende Internetpropaganda begleitet. Insgesamt etwa 1.150 deutsche Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland reisten seit dem Jahr 2011 in Richtung Syrien und den Irak aus der Bundesrepublik Deutschland aus.

Zu etwa 65 Prozent dieser gereisten Personen liegen konkrete Anhaltspunkte vor, dass sie auf Seiten des sog. IS, (Kern-)AL-QAIDA, deren Regionalorganisationen sowie weiteren ideologisch verbundenen Gruppierungen an Kampfhandlungen teilnehmen bzw. teilgenommen haben oder diese in sonstiger Weise unterstützen bzw. unterstützt haben.

Um Gefahren frühzeitig abzuwenden, arbeiten die deutschen Sicherheitsbehörden mit Nachdruck daran, möglichst viele Informationen bereits vor der Rückkehr zu erheben. Die Zentralstelle der Abteilung TE generiert zu diesem Zweck Erkenntnisse bezüglich der Rückkehrenden aus jihadistischen Kampfgebieten.

Hier wird die Umsetzung einer nachhaltigen, interdisziplinären und behördenübergreifenden Zusammenarbeit im Umgang mit Rückkehrenden gewährleistet.

Operative Aufgaben

Seit der Einrichtung der Abteilung TE übernimmt das BKA verstärkt Ermittlungsverfahren, um die Länder durch eine frühzeitige und aktive Übernahme zu entlasten sowie in laufenden Verfahren zu unterstützen. Dies umfasst auch Gefährdungssachverhalte, deren Aufklärung mit hohem Ressourcenaufwand einhergeht, sich durch vielfältige nationale und internationale Bezüge und Abstimmungserfordernisse auszeichnet und bei denen eine bundesweit einheitliche Bearbeitung – auch über einen längeren Zeitraum hinweg – erforderlich ist.

Strafverfolgung/­ -Gefahrenabwehr

Die Zahlen aus dem Phänomenbereich des islamistisch motivierten Terrorismus/Extremismus belegen nicht nur das gestiegene Personen- und Gefahrenpotential, sondern auch die Leistungsfähigkeit der Sicherheitsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland.

So hat sich die Zahl der laufenden Ermittlungsverfahren bundesweit seit 2014 mehr als verdoppelt. Deutlich gestiegen ist auch die Zahl der Beschuldigten insgesamt sowie mit Bezug zur Konfliktregion Syrien/Irak, denen die Unterstützung bzw. Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird oder wurde.

Mehrfach wurden Ermittlungen bei Anschlagsplanungen und Anschlagsgeschehen durch das BKA im Auftrag der Bundesanwaltschaft geführt. Beispielhaft zu nennen sind der vereitelte Sprengstoffanschlag in Schwerin (2017), aufgedeckte Anschlagsvorbereitungen mit dem Gift Rizin in Köln (2018), verhinderte Anschlagsplanungen mittels eines Sprengsatzes in Berlin (2019) sowie der abgewendete Selbstmordanschlag mittels eines Sprengstoffgürtels auf eine Kirche (2023).

Einen Schwerpunkt der Ermittlungen bildet dabei nach wie vor die Terrororganisation des sog. IS. Trotz des Verlustes der territorialen Herrschaft in Gebieten Syriens und dem Irak ist dieser weiterhin in der Lage, Anschläge in diesen Ländern durchzuführen. Zudem haben sich Ableger des sog. IS zum Beispiel in Afghanistan, in Zentral- und Westafrika wie auch in Somalia gebildet. Daneben werden auch Ermittlungsverfahren mit Bezügen zu weiteren Terrororganisationen wie zum Beispiel AL-QAIDA, AL-SHABAB, HIZB ALLAH und der HAMAS geführt.

Entführungen, Geiselnahmen und Erpressungen

Des Weiteren ist die Abteilung TE für die kriminalpolizeiliche Bearbeitung von Entführungen, Geiselnahmen und herausragenden Erpressungen zum Nachteil von deutschen Staatsangehörigen, Organisationen und Einrichtungen im Ausland zuständig. Hierbei führt diese in einer Vielzahl von Fällen die Ermittlungen und steht dabei im ständigen Austausch mit dem Krisenstab der Bundesregierung im Auswärtigen Amt.

Einblicke in die Arbeit