Der Handel mit Menschen zum Zweck der Ausbeutung ist weltweit eines der lukrativsten Geschäfte der Organisierten Kriminalität. Menschen werden gegen ihren Willen durch Gewalt, List, Täuschung oder andere Maßnahmen gezwungen, unter ausbeuterischen Bedingungen als Prostituierte zu arbeiten, zu betteln, Diebstähle oder Betrügereien zu begehen, sich illegal Organe entnehmen zu lassen oder auch im Bereich des Arbeitsmarktes ausgebeutet zu werden.
Die Opfer, die sowohl aus dem Ausland als auch aus Deutschland stammen können, werden meist mit falschen Versprechungen für eine Tätigkeit angeworben, die nicht der Realität entspricht, z. B. Arbeitsangebote über vermeintlich vertrauensvolle Verwandte, die die Opfer aber zur Ausbeutung weitervermitteln, Angebote einer gut dotierten Arbeitsstelle (Ernte, Haushalt, Au Pair) über Inserate, Agenturen, Internet. Die Nutzung des Internets hat in den letzten Jahren an Bedeutung für alle Ausbeutungsphasen zugenommen. Ein weit verbreiteter Modus Operandi ist die "Loverboy-Methode. Oftmals wird zur Ausbeutung auch die persönliche oder wirtschaftliche Zwangslage der Opfer bewusst ausgenutzt, um diese entweder mit falschen Versprechungen oder auch durch psychische oder physische Gewaltanwendung zur entsprechenden Tätigkeit zu zwingen.
"Loverboy-Methode"
Häufige Tatbegehungsform ist die "Loverboy-Methode". Betroffene hiervon sind oft minderjährige Mädchen und junge Frauen aus allen Gesellschaftsschichten. Sie werden von "Loverboys" angesprochen, die ihnen zunächst vorgaukeln, sie seien in sie verliebt. Die "Loverboys" geben ihnen Aufmerksamkeit, Komplimente, Zuneigung und oft auch Geschenke. Gleichzeitig machen sie die Opfer emotional abhängig und entfremden sie ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis. Später verleiten oder zwingen sie sie zur Prostitution. Oft gaukeln sie ihren Opfern vor, das so verdiente Geld zum Aufbau einer gemeinsamen Zukunft verwenden zu wollen. Die Opfer sind oft schwer zu erkennen, da sie sich häufig selbst nicht als Opfer wahrnehmen. Besondere Bedeutung kommt der „Loverboy-Methode“ in sozialen Netzwerken und Dating-Portalen zu.
Wer sind die Täter?
Der Täter des Menschenhandels arbeitet mit Beeinflussung und Bedrohung, sucht sich seine Opfer sehr strategisch aus. Er nutzt den kulturellen und familiären Hintergrund gezielt aus, um das Opfer in einer Abhängigkeit zu halten. Täter und Opfer stehen häufig auch in einer familiären oder sozialen Beziehung und kommen nicht selten aus der gleichen Region.
Wer sind die Opfer?
Immer mehr Menschen sind in die internationale Arbeitsmigration involviert und können dabei Opfer von struktureller, psychischer und physischer Gewalt werden. Ihre oft unsichere rechtliche und soziale Position sowie der Druck, durch Migration ihr eigenes Leben und das ihrer Familie sichern zu müssen, werden dabei gezielt ausgenutzt. Im Bereich Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, aber nicht nur dort, spielen weiterhin Geschlechterhierarchien und Gewalt gegen Frauen eine große Rolle. So können Migrantinnen und Migranten Betroffene von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung oder von Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung werden.
Oft erwarten auch Familien von Angehörigen, die in die Ferne gegangen sind, um Geld zu verdienen, eine große finanzielle Unterstützung. Die meisten Betroffenen sind gezwungen, ein Doppelleben zu führen, d. h. die Familie weiß über ihre Tätigkeit und ihren wirklichen Verdienst nicht Bescheid und ist weder über die rechtlichen Konsequenzen ihrer Handlungen noch über die harten Arbeits- und Lebensbedingungen informiert.
Viele Betroffene arbeiten isoliert von der Außenwelt und können ihren Arbeitsplatz nur sehr selten verlassen. Hohe Kosten für die Zimmermiete, Abgaben an die Händler/-innen etc. verhindern den erhofften Verdienst. Ihre Rechtlosigkeit verbunden mit fehlenden Informationen und Sprachkenntnissen begünstigt die Ausbeutung.
Wie ist der Ablauf eines Ermittlungsverfahrens? Und was ist wichtig?
Opfer und Tatgeschehen
Von erheblicher Bedeutung für die Einleitung eines Verfahrens ist, dass von Menschenhandel Betroffene als Opfer dieser Straftaten erkannt und anerkannt werden. Ob das Vorliegen von Menschenhandel erkannt wird, hängt wesentlich von der Kenntnis und Sensibilität der zuständigen Beamten für den Deliktsbereich Menschenhandel sowie von der Zielrichtung der polizeilichen Maßnahmen ab. Es erfordert eine hohe Sensibilität, zu erkennen, ob eine junge Frau oder ein junger Mann selbstbestimmt oder unter Zwang als Prostituierte arbeiten, unter welchen besonderen Umständen möglicherweise ein Ausländer in der Fleischindustrie oder im Baugewerbe arbeitet oder auch, ob ein Minderjähriger/eine Minderjährige einen Ladendiebstahl im Auftrag von Tätern durchgeführt hat. Die genauen Umstände wird man ohnehin fast immer nur über die Aussage des potenziellen Opfers erfahren.
Beratung von Betroffenen und Strafanzeige
Betroffene können die Ausbeutung bei jeder Polizeidienststelle anzeigen oder sich anderen Vertrauenspersonen oder Institutionen offenbaren, in deren Begleitung dann der Weg zur Polizei erfolgen kann. Bei der Strafanzeige werden die Personalien und die Angaben über Tatort, Tatzeit und den Täter sowie erste notwendige Hinweise zur Tat aufgenommen.
Von Menschenhandel Betroffene haben ein Recht auf Beratung und Unterstützung durch eine Fachberatungsstelle. Die Beratung ist immer kostenlos, anonym und unabhängig von Behörden oder anderen staatlichen Einrichtungen. Wenn Unsicherheiten wegen einer Anzeige bestehen, können sich Betroffene zuerst bei einer der Fachberatungsstellen beraten lassen und dann gemeinsam mit einer Beraterin zur Anzeigenerstattung zur Polizeidienststelle gehen.
Begeht man als Opfer eines Menschenhandels eine Straftat, so kann gem. §154c StPO von einer Strafe hierfür abgesehen werden.
Aussage der Opfer und Hauptverhandlung
Aktuell ist es noch nahezu unerlässlich, dass die Opfer des Menschenhandels auch persönlich vor Gericht aussagen. Da Verhandlungen ohne Zeugenaussagen der Betroffenen schwierig sind, hat es möglicherweise gravierende Folgen für die Hauptverhandlung, sollten (Opfer-)Zeugen nicht im Prozess erscheinen oder aus anderen Gründen eine Aussage vor Gericht verweigern:
- Häufig lehnt das Gericht mangels Tatverdacht die Eröffnung der Hauptverhandlung ab, da wichtige Belastungszeugen nicht mehr zur Verfügung stehen.
- Der Strafverteidiger kann zudem der Verlesung der früheren Aussage nach Strafprozessordnung widersprechen.
- Widersprüche, etwa zu früheren Angaben bei der Polizei, können nicht mehr geklärt werden.
- Das Gericht kann sich keinen Eindruck über die Glaubwürdigkeit der Zeugin/des Zeugen verschaffen.
Da die Gefahr eines Freispruchs aus Mangel an Beweisen recht hoch ist, wenn die Zeugen nicht persönlich vor Gericht über das Erlebte aussagen, ist eine Aussage der Betroffenen vor Gericht wichtig. In diesen Fällen stehen aber auch Betreuer/-innen von Fachberatungsstellen für Opfer während des gerichtlichen Prozesses unterstützend zur Verfügung.
Hilfsangebote für Betroffene
Von Menschenhandel Betroffene haben ein Recht auf Beratung und Unterstützung durch eine Fachberatungsstelle. Die Beratung ist immer kostenlos, anonym und unabhängig von Behörden oder anderen staatlichen Einrichtungen.
Die Unterstützungsangebote stehen allen Opfern offen, unabhängig davon, ob sie mit den Strafverfolgungsbehörden kooperieren oder nicht. Im Mittelpunkt der Beratungsarbeit stehen ausschließlich die Bedürfnisse, Interessen und Belange der Betroffenen.
Fachberatungsstellen assistieren den Klientinnen und Klienten bei der Wahrnehmung ihrer Rechte und fördern ihre Selbstbestimmung und persönlichen Stärken. Sie unterstützen Betroffene bedarfsgerecht bei allen notwendigen Schritten. Mit psychosozialer Beratung und der Organisation verschiedener Angebote stützen sie die Stabilisierung und Gesundung der Klientinnen und Klienten. Die Beratungsarbeit erfolgt auf freiwilliger Basis und je nach Bedarf auch muttersprachlich. Beraterinnen und Berater unterliegen der Schweigepflicht und behandeln alle Angaben ihrer Klientinnen und Klienten vertraulich.
Die Fachberatungsstellen bieten je nach Konzept und personeller Ausstattung in folgenden Bereichen Beratung und Unterstützung an:
- Krisenintervention und Erstgespräch, auch z. T. aktive Kontaktaufnahme zu potenziellen Opfern
- Fortlaufende psychosoziale Beratung
- Klärung ausländer- und sozialrechtlicher Fragen, Sicherung des Lebensunterhalts
- Angebot/Vermittlung von Unterbringung, medizinischer Versorgung, Therapieangeboten, Bildungsmaßnahmen und Freizeitgestaltung
- Begleitung zu Behörden
- Begleitung im Ermittlungs- und Strafverfahren und vor Gericht
- Vermittlung eines juristischen Beistands
- Unterstützung beim Aufbau von Lebensperspektiven
- Organisation und Unterstützung bei der Ausreise und Vermittlung von Hilfsangeboten in den Herkunftsländern
Im Beratungsprozess arbeiten Fachberatungsstellen im Interesse ihrer Klientinnen und Klienten mit vielen zu beteiligenden Behörden und Stellen zusammen, so z. B. mit Ausländerbehörden, Botschaften, Konsulaten, Polizei, Justizvollzugsanstalten, Gerichten, Sozialämtern, Jugendämtern, Wohnungsämtern, Jobcentern, aber auch mit Dolmetschern, Ärzten, Rechtsanwälten, Therapeuten u. a.
Ausländische Betroffene des Menschenhandels in Deutschland haben gem. § 59 Abs. 7 AufenthG eine Bedenkfrist von drei Monaten, um über eine Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden nachzudenken. Bei einer Kooperation ist ein Aufenthaltstitel gem. § 25 Abs. 4a AufenthG möglich, welcher auch nach Abschluss des Verfahrens noch verlängert werden kann.
Fachberatungsstellen/Ansprechpartner für Betroffene des Menschenhandels
- KOK e.V. – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e. V.:
Auf der Website www.kok-gegen-menschenhandel.de finden sich weitere Informationen für Opfer von Menschenhandel - Servicestelle gegen Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel:
Auf der Webseite https://www.servicestelle-gegen-zwangsarbeit.de/ finden sich weitere Informationen im Zusammenhang mit Arbeitsausbeutung Zwangsarbeit und Menschenhandel. Hier wird insbesondere auf den Bereich der Arbeitshilfen hingewiesen - Weißer Ring e. V. (Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten) mit Kontaktadressen im gesamten Bundesgebiet
- Gewerkschaften
- Opferhilfsorganisationen zu finden unter www.opferhilfen.de
- Bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen (Tel.: 0800 011 60 16) 24/7 besetzt
- Hilfetelefon Gewalt an Männern (Tel.: 0800 1239900) begrenzte Erreichbarkeit
- Jede Polizeidienststelle