- Datum:17. Februar 2021
- Interview mit: BKA-Präsident Holger Münch
- Interviewer: Frank Jansen, „Der Tagesspiegel“
TAGESSPIEGEL: Der Hanau-Attentäter Tobias Rathjen hatte offenbar weder eine Lebensgefährtin noch Freunde. Wie Stephan Balliet, der im Oktober 2019 in Halle die Synagoge angriff und zwei Passanten erschoss, war Rathjen ein Einzelgänger und verbrachte viel Zeit am Computer. Was hat das BKA aus den Fällen solcher Einzeltäter gelernt?
Holger Münch: In den letzten Jahren haben wir Veränderungen in der rechten Szene feststellen müssen. Statt ideologisch gefestigten und organisierten Gruppen sehen wir heute überwiegend lose Kennverhältnisse und lockere, teilweise auch virtuelle Netzwerke, die für die Sicherheitsbehörden prinzipiell schwerer feststellbar sind.
Auf diese Entwicklung haben wir uns jedoch eingestellt, wie die Aufdeckung und Zerschlagung von rechtsterroristischen Netzwerken wie der "Oldschool Society" oder der aus mehreren Mitgliedern bestehenden terroristischen Vereinigung "Gruppe Werner S.“, die Angriffe auf Moscheen und Politiker plante, zeigt.
Daneben haben wir es zunehmend mit allein handelnden Tätern zu tun, die sich selbst radikalisiert haben und zum Teil irrational agieren. Nicht selten vermischen sich verschiedene Motive und Hintergründe, die von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Frauenfeindlichkeit oder Antisemitismus über krude Verschwörungstheorien bis hin zu psychotischen Störungen reichen. Solche Fälle sind für die Sicherheitsbehörden die größte Herausforderung, weil sie wenig Ansatzpunkte bieten, potenzielle Täter zu erkennen und Taten zu verhindern.
Darauf haben wir mit einer Anpassung unserer Bekämpfungsstrategie auf drei Ebenen reagiert: mit einem personenorientierten Ansatz, einer verbesserter Netzwerkerkennung und einer umfassenden Strategie zur Bekämpfung der Hasskriminalität im Internet.
TAGESSPIEGEL: Rathjen und Balliet waren offenbar Teil einer virtuellen Internationale des rechtsextremen Terrors. Und zumindest Balliet verehrte den Australier Brenton Tarrant, der im März 2019 in Neuseeland in zwei Moscheen 51 Muslime erschoss. Wie bewertet das BKA die Vernetzung solcher Fanatiker?
MÜNCH: Auch wenn konkrete Belege fehlen, dass der Halle-Attentäter fest in ein virtuelles Netzwerk rechter Terroristen eingebunden war oder es eine sonstige Vernetzung von rechtsterroristischen Attentätern gab, dienten ihm der australische Attentäter und dessen Anschläge auf zwei Moscheen in Christchurch als Vorbild. Das Internet hat bei seiner Radikalisierung eine erhebliche Rolle gespielt.
Im Fall des Hanau-Attentäter haben wir bei unseren Ermittlungen weder Hinweise auf eine konkrete Vernetzung des Täters in einer rechten oder rechtsextremen Online-Community noch auf eine Beschäftigung des Täters mit dem Anschlag in Christchurch festgestellt.
Grundsätzlich hat sich das Internet aber für Straftäter jeglicher Art zu einem bedeutsamen und vielseitigen Medium entwickelt. Es ist Plattform für Vernetzung und Austausch von Kriminellen, Marktplatz für den Erwerb inkriminierter Waren und Propagandaplattform für die Verbreitung von extremistischem Gedankengut und die Verherrlichung von Taten als geistigem Nährboden für Andere.
Hier setzen wir mit einer intensiven Zusammenarbeit mit unseren europäischen und internationalen Partnern – z.B. im Rahmen des European Counter Terrorism Center (ECTC) bei EUROPOL – sowie mit den genannten Anpassungen bei unserer Bekämpfungsstrategie an.
TAGESSPIEGEL: Rathjen hatte kurz vor der Tat in einem Video behauptet, in den USA würden Geheimgesellschaften in Untergrundbasen kleine Kinder töten. Das entspricht den Wahnvorstellungen der Verschwörungstheoretiker der QAnon-Bewegung, die sich von den USA auch nach Deutschland ausbreitet. Das FBI warnt, das Verschwörungstheorien in Terror umschlagen können. Wie gefährlich sind Verschwörungstheoretiker wie QAnon und andere in Deutschland?
MÜNCH: Verschwörungstheorien entstehen und verbreiten sich vor allem angesichts von Ereignissen, die weitreichende, krisenhafte Konsequenzen für den Alltag der Bevölkerung haben. Es sind Ereignisse, die ein Gefühl von Machtlosigkeit auslösen und die nur schwer verständlich oder mithilfe von zufälligen Zusammenhängen erklärt werden können. Dies erleben wir in der aktuellen Corona-Pandemie. Über die "Corona-Leugner"-Bewegung ist QAnon auch in Deutschland angekommen. Einige prominente Personen mit hoher Reichweite in den sozialen Medien sorgen dafür, ihre kruden Botschaften bekannt zu machen. Auch wenn die Anhängerschaft in Deutschland überschaubar ist: Die Dynamik ist groß und grundsätzlich können Verschwörungstheorien eine gefährliche Wirkung haben. Aktuell bedeutsame Faktoren sind die weitere Fortdauer der Pandemie und dadurch entstehende wirtschaftliche Nöte und Existenzängste in der Bevölkerung. Gewaltaufrufe oder -unterstützung beobachten wir zwar aktuell in dieser Szene nicht, dennoch können Handlungen mit irrationalen oder verschwörungstheoretischen Tatmotiven nicht ausgeschlossen werden. Die deutschen Sicherheitsbehörden werden diese Szene daher im Blick behalten. Wichtig ist aber auch: Wir brauchen ein gesamtgesellschaftliches Miteinander, in dem wir für eine offene und faktenbasierte Diskussion eintreten. Jede und jeder einzelne von uns kann hier mitwirken, abstruse Ideen und falsche, nicht belegte Behauptungen nicht unwidersprochen stehen zu lassen.
TAGESSPIEGEL: Im vergangenen Jahr hat die Polizei bundesweit mehr als 23 000 rechte Delikte festgestellt. Das ist der zweithöchste Stand seit der Einführung des Erfassungssystems "Politisch Motivierte Kriminalität (PMK)" im Jahr 2001. Vermutlich wird mit den Nachmeldungen sogar der Höchststand erreicht. Wie konnte es soweit kommen - trotz der vielen Einschränkungen des öffentlichen Lebens in der Coronakrise?
MÜNCH: Auch wenn endgültige Zahlen noch nicht vorliegen, zeichnet sich ab, dass die Zahl der politisch motivierten Straftaten im vergangenen Jahr deutlich gestiegen ist; darunter auch die der fremdenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Delikte. Wir erleben zudem eine Welle von Hasskriminalität, darunter auch Morddrohungen und Gewaltaufrufe gegen Politiker, Personen des öffentlichen Lebens oder Ehrenamtler, aber auch gegen Polizisten oder Rettungskräfte in Ausübung ihrer Arbeit. Die Mehrzahl dieser Straftaten sind rechtsmotiviert – das ist besorgniserregend.
Die Pandemie ist eine neue, so vorher nie dagewesene Lage, die für viele Menschen mit tiefgreifenden Verunsicherungen bis hin zu Existenzängsten einhergeht. Aus der Forschung wissen wir: In solchen Situationen suchen Menschen in besonderem Maße Orientierung - und manch einer sehnt sich nach vermeintlich einfachen Antworten und Erklärungsmustern, wie sie besonderes aus dem rechten Spektrum angeboten werden. Wenn in Zeiten des Lockdowns mehr Menschen im Internet, auch in den sozialen Netzwerken, unterwegs sind, können sie mit Inhalten aus der rechten Meinungsblase, wo oft der Austausch mit Andersdenkenden fehlt, in Berührung kommen und treffen virtuell auf vermeintliche Heilsbringer und Welterklärer, die Hass und Hetze verbreiten.
Verstärkt sehen wir Straften im Internet, in sozialen Netzwerken und auf Messenger-Diensten, die sich gegen Politiker oder Experten richten, die im Rahmen der Pandemie-Bekämpfung Verantwortung tragen. Das zeigt den schwindenden Respekt gegenüber gerade den Menschen, die für unsere Gesellschaft mit ihrer Arbeit eintreten.
TAGESSPIEGEL: Bei den großen Aufläufen von Coronaskeptikern und -leugnern stehen Normalbürger neben Rechtsextremisten und Reichsbürgern. Stimuliert diese seltsame Toleranz der Normalbürger die Neonazis, noch krimineller zu werden?
MÜNCH: Bei den Versammlungen haben wir es mit einer äußerst heterogenen "Mischszene" mit unterschiedlichen ideologischen Ausrichtungen zu tun. Darunter sind Anhänger sogenannter Verschwörungstheorien, Impfgegner, Esoteriker und Personen aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich ohne politische Ideologie, die lediglich aus Existenznöten, der eben genannten starken Verunsicherung oder aus Unmut gegenüber Grundrechtseinschränkungen protestieren. Unter den Teilnehmern sind auch Personen aus dem Reichsbürgerspektrum sowie der rechten Szene. Eine strukturierte Beeinflussung und ein vermehrtes Auftreten von Straftaten von Rechtsextremisten sind derzeit jedoch nicht erkennbar.
Die weitere Entwicklung der Corona-Proteste ist maßgeblich vom weiteren Verlauf der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen in unserer Gesellschaft abhängig - und somit schwer vorhersagbar.
Wir achten sehr aufmerksam auf die Entwicklung in allen Phänomenbereiche des Extremismus und passen unsere Gefährdungseinschätzungen regelmäßig der Lageentwicklung an.
TAGESSPIEGEL: Der Hanau-Attentäter verfügte legal über drei Schusswaffen. Zwei setzte er bei dem Anschlag ein. Und bundesweit verfügen auch heute noch, das teilte die Bundesregierung kürzlich mit, mehr als 1200 Rechtsextremisten über eine waffenrechtliche Erlaubnis. Was müsste getan werden, um zumindest die Gefahr der legalen Bewaffnung von Rechtsextremisten zu verringern?
MÜNCH: Waffen haben innerhalb der rechten Szene aus ideologischen Gründen eine hohe Bedeutung. Die Kombination von menschenverachtender Weltanschauung, niedriger Hemmschwelle zur Gewalt und der Verfügbarkeit von Waffen stellt daher ein ernstes Bedrohungspotenzial dar. Deshalb müssen wir jede Möglichkeit nutzen, um Rechtsextremisten ihre Waffen zu entziehen. Ein Baustein beispielsweise ist das überarbeitete Waffenrecht. Seit dem letzten Jahr müssen die Waffenerlaubnisbehörden in den Ländern vor der Erteilung einer Waffenerlaubnis und danach alle drei Jahre beim Verfassungsschutz prüfen, ob der Waffenbesitzer als Extremist gilt. Damit wird sichergestellt, dass auf legalem Wege keine erlaubnispflichtigen Schusswaffen in die Hände von Extremisten gelangen bzw. im Fall von Erkenntnissen waffenrechtliche Erlaubnisse widerrufen werden können. Weitere Maßnahmen - etwa auch mit Blick auf psychisch auffällige Personen - werden derzeit zwischen dem Bund und den Bundesländern geprüft.
TAGESSPIEGEL: Welches Risiko geht von Rechtsextremisten aus, die im Ausland den Umgang mit Waffen trainieren und Kampferfahrung sammeln? Deutsche halten sich offenbar bei den rechtsextremen ukrainischen Milizen auf, die im Bürgerkrieg gegen die prorussischen Separatisten mitmischen…
MÜNCH: Personen, die Erfahrung im Umgang mit Schusswaffen oder gar mit bewaffneten Konflikten haben, stellen prinzipiell ein besonderes Gefährdungspotential dar. Wir wissen von Reisen deutscher Rechtsextremisten in die Ukraine mit dem Ziel, dort an rechtsextremistischen Veranstaltungen teilzunehmen. Eine aktive Teilnahme an Kampfhandlungen ist dagegen nicht belegt.
Grundsätzlich ist die Beobachtung von Zusammenkünften deutscher und ausländischer Rechtsextremisten, die im Ausland den Umgang mit Waffen trainieren, Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder.
TAGESSPIEGEL: Das Oberlandesgericht Frankfurt hat im Januar den Mörder von Walter Lübcke zu lebenslanger Haft verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Im Dezember hatte das OLG Naumburg die gleiche Strafe gegen den Attentäter von Halle verhängt. Welche Wirkung versprechen Sie sich von so drastischen Urteilen?
MÜNCH: Solche Urteile sind ein sehr wichtiges Signal an Opfer und Angehörige, aber auch für unsere Gesellschaft insgesamt. Und sie wirken hoffentlich abschreckend auf potenzielle Nachahmer. Ob sich allerdings zur Tat entschlossene Extremisten, die ihren eigenen Tod in Kauf nehmen, von einer lebenslangen Haftstrafe von ihrer Tat abbringen lassen, bleibt fraglich.
TAGESSPIEGEL: Ein Dauerproblem sind auch die untergetauchten Rechtsextremisten. Die Polizei sucht fast 500 Neonazis und weitere Rechte, die verschwunden sind. Warum gelingt es den Sicherheitsbehörden nicht, die Zahl deutlich zu senken?
MÜNCH: Der Rückschluss ist aufgrund der anhaltend hohen Zahl der Haftbefehle so nicht richtig. Die statistische Erhebung der offenen Haftbefehle erfolgt im Halbjahresrhythmus. Dabei sehen wir, dass innerhalb von sechs Monaten regelmäßig etwa die Hälfte der bestehenden Haftbefehle vollstreckt worden ist. Es kommen aber immer wieder neue hinzu, denn: Die Zahl der Rechtsextremisten wird nicht kleiner, sondern größer und es wird aufgrund verschiedenster Straftaten immer wieder neue Haftbefehle geben.
Vor allem bei Gefährdern, herausragenden Delikten und älteren Haftbefehlen werden die gesuchten Personen einer besonderen Betrachtung im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum unterzogen, um neue Erkenntnisse für die Fahndungsdienststellen des Bundes und der Länder zu gewinnen.
TAGESSPIEGEL: Das BKA hat die Zahl der rechten Gefährder in den vergangenen Jahren nach und nach erhöht. Wie viele sind es aktuell - auch im Vergleich zur islamistischen Szene?
MÜNCH: Zu Jahresbeginn waren rund 70 Personen als Gefährder und circa 160 Personen als Relevante Personen im Bereich Politisch-motivierte Kriminalität -rechts- eingestuft, im Bereich Islamistischer Terrorismus haben wir rund 600 Personen als Gefährder und circa 530 Relevante Personen registriert.
Seit den Morden des NSU ist die Polizei sensibilisiert, auch bei vermeintlicher Allgemeinkriminalität politische Tathintergründe zu erkennen und Hintergründe und Umfeld so zu durchleuchten, dass weitere auffällige Personen und Netzwerke erkannt werden. Hinzu kommen die bereits skizzierten Anpassungen in unserer Bekämpfungsstrategie, die der frühzeitigeren und umfassenderen Erkennung von potentiell gefährlichen Personen und Netzwerken dienen.
Seither verzeichnen wir eine Verdreifachung des polizeilich eingestuften Gesamtgefährdungspotenzials im Bereich des Rechtsextremismus und ich gehe davon aus, dass diese Zahlen weiter steigen werden.
TAGESSPIEGEL: Mit dem neuen Risikobewertungssystem "Radar-rechts" will das BKA militante Rechtsextremisten ähnlich analysieren wie es mit "Radar-iTE" bei islamistischen Gefährdern gemacht wird. Wie weit ist Ihre Behörde?
MÜNCH: Unser Analyseinstrument RADAR-rechts wird eine analoge Entwicklung unseres bewährten Instruments aus der der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus sein, inhaltlich sind allerdings einige aufwändige Anpassungen auf den Phänomenbereich PMK -rechts- notwendig. Anschließend muss die wissenschaftliche Güte des Instruments neu überprüft werden. Am Ende erfolgt die Integration in bestehende polizeiliche IT-Systeme. Die Entwicklung von RADAR-rechts wird im Rahmen eines Forschungskonsortiums unter der Leitung des Bundeskriminalamtes durchgeführt. Planmäßig werden wir RADAR-rechts im kommenden Jahr zur Bewertung des Gefahrenpotentials von rechtsextremistischen Einzelpersonen einsetzen können. Bereits jetzt führen wir im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) von Bund und Ländern gemeinsame Fallkonferenzen zu polizeilich eingestuften Personen durch, um individuell abgestimmte Maßnahmen einleiten zu können.
TAGESSPIEGEL: Das BKA soll künftig als Zentralstelle der Polizei die Meldungen von Facebook und anderen Betreibern sozialer Medien zur Internethetze von Leuten wie Rathjen entgegennehmen. Wie ist der Stand?
MÜNCH: Unsere Vorbereitungen für die Zentrale Meldestelle sind weit fortgeschritten, die notwendigen Abstimmungen mit Justiz und den Ländern kommen gut voran. Der Gesetzgeber wird die Rahmenbedingungen mit dem Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität mit Änderungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) und des Bundeskriminalamtsgesetzes (BKAG) schaffen.
Auf dieser Grundlage werden die Anbieter großer sozialer Netzwerke verpflichtet, bestimmte strafbare Inhalte im Internet nicht mehr nur zu löschen und zu sperren, sondern dem BKA zu melden. Wir gehen aktuell von einem jährlichen Vorgangsaufkommen von circa 250.000 Meldungen aus, aus denen sich rund 150.000 Ermittlungsverfahren ergeben könnten. Unsere Aufgabe ist es, jede einzelne Meldung auf ihre Strafbarkeit zu prüfen und nach entsprechenden Identifizierungsschritten an die zuständigen Bundesländer weiterzuleiten. Die Geschäftsprozesse in unserer Meldestelle sollen weitgehend standardisiert und automatisiert ablaufen, um das dort eingesetzte Personal gezielt für die strafrechtliche Bewertung und Bearbeitung der eingehenden Meldungen einsetzen zu können.
Dabei stehen wir auch im engen Austausch mit der Justiz, damit klar zwischen Straftaten und Meinungsäußerungen unterschieden werden kann.
Sobald das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität in Kraft tritt, werden wir starten - zunächst mit einer zehnmonatigen Pilotphase, in der gemeinsam mit den sozialen Netzwerken, den Länderpolizeien und der Justiz die Verfahrensabläufe getestet werden, um die reibungslose Aufnahme des Wirkbetriebs vorzubereiten.
TAGESSPIEGEL: Was braucht das BKA zusätzlich, um besser gegen den Terror rechter und anderer Extremisten gerüstet zu sein?
MÜNCH: Wo Straftaten digital geplant, vorbereitet und begangen werden, muss den Sicherheitsbehörden die ganze Bandbreite der Strafverfolgungsinstrumente zur Verfügung stehen. Sie müssen im Einzelfall, nach einem Beschluss eines Richters, auch die Kommunikation eines Straftäters überwachen können - auf allen Kanälen. Das ist derzeit nur unter erheblichem technischem Aufwand möglich, indem wir in Einzelfällen entsprechende Software auf Endgeräte aufspielen. Das allein ist keine zukunftsfähige Strategie.
Es ist nicht unser Ziel, mögliche Sicherheitslücken der Anbieter zu nutzen, um durch die "Hintertür" zu überwachen. Wir setzen vielmehr auf die Mitwirkung der Anbieter und Serviceprovider. Was wir brauchen, ist ein Zugang durch die Vordertür: Anbieter etwa von Messengerdiensten sollen ihre Systeme so gestalten, dass sie im Fall einer richterlich genehmigten Überwachung unverschlüsselte Daten an die Ermittler ausleiten können. Wir haben das technisch analysiert und glauben, dass dies geht, ohne die Ende-Zu-Ende-Verschlüsselung insgesamt aufzubrechen und zu gefährden.
Zudem sollte die Erstellung und Veröffentlichung von sogenannten Feindeslisten sanktioniert werden. Ich halte es für erforderlich, derartige Störungen des öffentlichen Friedens, die mit erheblichen Verunsicherungen der Betroffenen verbunden sind, unter Strafe zu stellen. Dass aktuell das Justizministerium einen solchen Gesetzesentwurf vorbereitet, begrüße ich darum sehr.