Bundeskriminalamt (BKA)

Interview mit dem belgischen Verbindungsbeamten im BKA

"70 Prozent der Vorgänge, die aktuell über meinen Schreibtisch gehen, behandeln den Deliktsbereich Terrorismus"

  • Datum:14. Februar 2017
  • Interview mit: Marc V., belgischer Verbindungsbeamter im BKA

BKA-Vizepräsident Peter Henzler mit VB Marc V.

Das Bundeskriminalamt (BKA) unterhält ein Netzwerk von mehr als 60 Verbindungsbeamtinnen und –beamten (VB) in fast 50 verschiedenen Staaten rund um den Globus. Sie sorgen für einen schnellen Austausch von Informationen, um grenzüberschreitende Kriminalität effektiv zu bekämpfen. Doch nicht nur die Verbindungsbeamten des BKA spielen für die Zusammenarbeit mit ausländischen Sicherheitsbehörden eine wichtige Rolle – auch die mehr als 100 ausländischen Verbindungsbeamtinnen und –beamten aus mehr als 50 verschiedenen Staaten, die von ihren Ländern nach Deutschland entsandt wurden, leisten einen großen Beitrag für die internationale Zusammenarbeit.

Marc V. hat fast neun Jahre als belgischer Verbindungsbeamter ein Büro im BKA gehabt. Als "Leitender Kriminaldirektor und belgischer Verbindungsbeamter für Deutschland, die Schweiz und Liechtenstein" hat er in Wiesbaden gelebt und gearbeitet.

Erhalten Sie einen Einblick in seine Arbeit als Verbindungsbeamter, sein Leben in Deutschland und seine Sicht auf das Bundeskriminalamt als Zentralstelle der deutschen Polizei.

Warum sind Sie als Verbindungsbeamter nach Deutschland gegangen?

V.: Die grundsätzliche Entscheidung, als Verbindungsbeamter im Ausland tätig zu werden, war für mich maßgeblich durch zwei Überlegungen bestimmt:

Ist das Berufsbild für mich interessant und ist es für mich privat umsetzbar? Die Familie muss die Entscheidung, für einige Zeit ins Ausland zu gehen, mittragen. Man kann nicht zu Hause sagen: "Wir gehen morgen" und Verständnis voraussetzen. Für mich war es auch wichtig, in ein Land zu kommen, für dessen Kultur und Lebensumstände ich mich interessiere. Ich bin als Kind eines belgischen Offiziers in Deutschland geboren und habe hier die ersten zwölf Jahre meines Lebens verbracht, bis ich mit meiner Familie zurück nach Belgien zog. Für mich war es deshalb schön, in der Funktion als Verbindungsbeamter nach Deutschland zurückzukehren.

Warum haben Sie ihr Büro im BKA?

V.: Als Verbindungsbeamter besitze ich Diplomatenstatus. Viele Verbindungsbeamte haben ihre Büros deshalb in der Botschaft ihres jeweiligen Landes. Ich empfinde es aber als großen Vorteil, mein Büro direkt im BKA zu haben. Die Wege zu den Kollegen des Bundeskriminalamtes sind kurz und ich kenne die Ermittler persönlich. Absprachen können so schneller getroffen und Informationen zeitnah ausgetauscht werden. Ich werde als Teil des Bundeskriminalamtes betrachtet. Das wirkt sich auch positiv auf die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen der deutschen Landespolizeibehörden aus.

Arbeiten Sie eher mit den Kolleginnen und Kollegen der Landespolizeibehörden in Deutschland oder des BKA zusammen?

V.: Mehr als die Hälfte der Fälle pro Jahr, mit denen ich zu tun habe, sind Ermittlungen des Bundeskriminalamtes. In den anderen Fällen arbeite ich mit den deutschen Landeskriminalämtern, den deutschen Landespolizeibehörden oder der Bundespolizei zusammen. Hin und wieder bin ich auch im Auftrag der belgischen Botschaft unterwegs.

Wie sieht ihr Arbeitsalltag aus? Sind Sie häufig vor Ort mit dabei - also "auf der Straße" - oder arbeiten Sie mehr am Schreibtisch?

V.: Jeder Verbindungsbeamte hat eine eigene Auffassung hinsichtlich der Gestaltung der Arbeit. Was ist wichtig, damit meine Arbeit erfolgreich ist? Ich muss Kontakte zwischen den Ermittlern knüpfen. Bei komplexen oder schwierigen Sachverhalten kommt es vor, dass ich bei den polizeilichen Maßnahmen, wie zum Beispiel einer Durchsuchung, vor Ort bin. Ich halte mich währenddessen aber im Hintergrund und übersetze, falls nötig.

Wenn ich nicht unterwegs bin, telefoniere ich viel oder nehme an Besprechungen teil. Oft bin ich der Türöffner für die Kolleginnen und Kollegen. Sobald der erste Kontakt hergestellt ist, kann ich mich meist wieder herausziehen.

Welche Fälle aus der Vergangenheit, in die sie stark involviert waren, kommen Ihnen spontan in den Sinn?

V.: Ich habe verschiedene, sehr interessante Ermittlungsverfahren begleitet, insbesondere auch im Bereich der Rauschgiftkriminalität. Ein Cold-Case-Verfahren im Zusammenhang mit mehreren Tötungsdelikten in Deutschland ist mir ebenfalls in Erinnerung geblieben. Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Belgien war hier sehr wichtig, es gab verschiedene Täter, die jedoch dieselbe Schusswaffe benutzt haben. Auch die italienische Mafia hat mich während meiner Zeit in Deutschland beschäftigt. Interessant war natürlich das Verfahren rund um den Autobahnschützen, hier haben wir mit der deutschen Polizei eng zusammengearbeitet. Aber: Es gibt nicht den einen herausragenden Fall, für mich war jeder einzelne spannend. Das ist auch ein Vorteil an der Arbeit als Verbindungsbeamter: Ich habe es fast immer mit Fällen der Organisierten Kriminalität zu tun, das finde ich per se spannend. Hinzu kommt die internationale Komponente, die Zusammenarbeit mit den Kollegen verschiedener Behörden aus verschiedenen Ländern.

Welche Bereiche der Organisierten Kriminalität haben Sie in Ihrer Zeit hier am meisten beschäftigt?

V.: Grundsätzlich alle Bereiche. Die Schwerpunkte ändern sich natürlich immer wieder. Vor zwei bis drei Jahren standen die Rauschgiftdelikte noch an erster Stelle, direkt danach folgte die organisierte Eigentumskriminalität, darunter speziell reisende Wohnungseinbrecher. Erst an dritter Stelle folgte der Informationsaustausch im Bereich des Terrorismus. Seit den Anschlägen des vergangenen Jahres hat sich das massiv geändert. Mindestens 70 Prozent der Vorgänge, die aktuell über meinen Schreibtisch gehen, drehen sich um das Deliktsfeld Terrorismus. Natürlich nimmt deshalb die Arbeit in den anderen Deliktsbereichen nicht ab.

Wie haben Sie die Terroranschläge auf den Flughafen und die Metro in Brüssel am 22. März 2016 erlebt?

V.: Ich war während der Anschläge in Deutschland. Das BKA ist für Fälle des international organisierten Terrorismus zuständig. Ich habe im Rahmen der Ermittlungen nach den Anschlägen eng mit dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) zusammengearbeitet. Der Informationsaustausch wurde durch das BKA im GTAZ zusammengeführt, sodass ich immer feste Ansprechpartner hatte. Das hat meine Arbeit erheblich erleichtert. Fragen und Ersuchen der deutschen Landespolizeibehörden wurden vom BKA gebündelt an mich weitergeleitet. Das BKA hat da als Schnittstelle gut funktioniert.

Konnten Sie Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zwischen der Struktur der deutschen Polizei und der belgischen Polizei feststellen?

V.: In Belgien gab es bis 2001 die Gendarmerie, die Kriminalpolizei sowie die Gemeindepolizei. Die Zuständigkeit der Gemeindepolizei war auf eine Stadt oder eine Gemeinde beschränkt, die Kriminalpolizei und die Gendarmerie hatten nationale Befugnisse und waren auch international tätig. Nach Ermittlungspannen im Fall Dutroux, einem belgischen Mörder und Sexualstraftäter, wurde die belgische Polizei 2001 neu strukturiert. Seitdem besteht die belgische Polizei aus der Föderalen Polizei, auf belgisch "Federale Politie", und der Lokalen Polizei, auf belgisch "Lokale Politie". Beide Polizeibehörden arbeiten unabhängig, sind aber stark miteinander verflochten. Sowohl bei der Föderalen als auch bei der Lokalen Polizei gibt es zum Beispiel eine Kriminalpolizei. Die Kriminalpolizei der Lokalen Polizei ist für Straftaten wie Laden- oder Fahrzeugdiebstahl zuständig, die Kriminalpolizei der Föderalen Polizei bei Straftaten der Schweren und Organisierten Kriminalität, wie Menschenhandel und Rauschgiftkriminalität.

Zu wem gehören Sie?

V.: Als Verbindungsbeamter bin ich bei der Föderalen Polizei, genauer gesagt im Bereich "Internationale Koordinierung", angesiedelt.

Wie sieht das belgische Verbindungsbeamtennetzwerk aus?

V.: Aktuell sind insgesamt 18 belgische Verbindungsbeamte im Ausland. Belgien hat Verbindungsbeamtenstandorte in Europa, Asien, in Nord- und Südamerika sowie bei Interpol und Europol. Mittelfristig werden die Standorte in Europa aber aufgegeben. Der Informationsaustausch, der zuvor über uns Verbindungsbeamte lief, soll verstärkt zentral über Europol koordiniert werden. Auch der Standort Deutschland wird nicht mehr nachbesetzt, wenn ich jetzt nach fast neun Jahren gehe.

Werden Sie als Kriminalpolizist noch einmal ins Ausland gehen?

V.: Ich kann mir durchaus vorstellen, eine Stelle bei Europol anzunehmen. Die Entfernung nach Belgien ist nicht so groß. Ich könnte mir auch vorstellen, zu Interpol nach Lyon zu gehen. Das sind aber Überlegungen, die sich in ein bis zwei Jahren konkretisieren. Wenn ich jetzt nach Belgien zurückkehre, werde ich den Posten als Leitender Kriminaldirektor der Föderalen Kriminalpolizei für Westflandern übernehmen. Bevor ich nach Deutschland kam, war ich Leitender Kriminaldirektor der Kriminalpolizei in Ypern.

Sie verabschieden sich also nun nach neun Jahren im BKA und kehren nach Belgien zurück. Was werden Sie am meisten vermissen?

V.: Die Arbeit. Meiner Meinung nach ist die deutsche Polizei sehr gut organisiert. Die Mentalität der Deutschen und der deutschen Polizei gefällt mir. Termine werden eingehalten, Besprechungsergebnisse umgesetzt und Zusagen sind verbindlich. Klar, manche Dinge sind in Deutschland auch etwas überorganisiert. Das kann im Hinblick auf Flexibilität mitunter ein Nachteil sein. Mir persönlich ist aber weniger Flexibilität lieber, als schlechte Organisation.
Es ist sehr einfach, mit den deutschen Kollegen zusammenzuarbeiten, ganz egal, ob vom Bundeskriminalamt, den Landeskriminalämtern oder von den Landespolizeibehörden. Ich bin abends immer mit einem guten Gefühl nach Hause gefahren.