Bundeskriminalamt (BKA)

RADAR-rechts

Die rechtsextremistisch motivierten Morde in den Jahren 2019 und 2020 sowie die stetig steigende Zahl von Gefährdern und Relevanten Personen haben auf tragische Weise verdeutlicht, wie nötig es ist, die Strategie zur Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) -rechts- anzupassen. Dazu gehört auch die Intensivierung eines personenbezogenen Bekämpfungsansatzes in diesem Bereich.

Deshalb wurde im BKA ab März 2020 das Risikobewertungsinstrument RADAR-rechts, d.h. Regelbasierte Analyse potentiell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos der Begehung einer lebensgefährlichen, rechtsmotivierten Gewalttat entwickelt, das seit dem 10.05.2022 verwendet wird. Das bereits etablierte Risikobewertungsinstrument RADAR-iTE, welches seit 2017 erfolgreich im Bereich des islamistischen Terrorismus eingesetzt wird, diente dabei als Vorbild. Aufgrund der Unterschiede in den jeweiligen Phänomenbereichen konnte RADAR-iTE jedoch nicht direkt auf den Bereich PMK -rechts- übertragen werden.

Ziel des neuen Instrumentes ist die Priorisierung von polizeibekannten Personen des rechten Spektrums (insbesondere Gefährder und Relevante Personen) hinsichtlich des Risikos, eine konkret lebensgefährliche rechtsmotivierte Gewalttat zu begehen.

RADAR-rechts ermöglicht damit eine ressourcenorientierte Optimierung der Prozesse des Risikomanagements, u. a. auch bei der Bestimmung solcher Personen, die einer individuellen Risikoanalyse unterzogen werden müssen.

Die Aufnahme des Wirkbetriebs von RADAR-rechts bedeutet aufgrund der wissenschaftlichen Fundierung und der bundesweiten Vereinheitlichung der Risikobewertung einen wesentlichen Fortschritt bei der personenorientierten Bekämpfung der PMK -rechts-.

Entwicklung des Risikobewertungsinstruments

RADAR-rechts wurde gemeinsam mit der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) als wissenschaftlichem Arbeitspartner entwickelt.

Die Zusammenarbeit bestand in der gemeinsamen Entwicklung der Merkmale sowie ihrer Testung auf wissenschaftliche Güte. Die verwendete Vorgehensweise hat sich bereits bei etablierten Risk-Assessment-Instrumenten zur Beurteilung von Gewaltstraftätern bewährt.

Dafür wurden auf Basis einer systematischen Literaturrecherche und Experteninterviews Risiko- und Schutzfaktoren erhoben, die das Risiko für konkret lebensgefährliche, rechtsmotivierte Gewalt beeinflussen. Es folgte eine Relevanzeinstufung der erhobenen Faktoren durch Experten aus Wissenschaft und Praxis sowie die Prüfung der polizeipraktischen Anwendbarkeit der Faktoren.

Zur Testung der wissenschaftlichen Güte der Merkmale wurde eine Stichprobe aus dem Personenpotenzial der PMK -rechts- erstellt. Die Merkmale wurden mithilfe statistischer Verfahren dahingehend überprüft, ob sie zwischen Personen mit einem moderatem und einem hohen Risiko für die Begehung einer konkret lebensgefährlichen, rechtsmotivierten Gewalttat differenzieren. 

Parallel zur Instrumentenentwicklung wurde durch die Hochschule Polizei Brandenburg die rechtliche Begleitforschung durchgeführt.

Als assoziierte Partner waren die Landeskriminalämter Nordrhein-Westfalen und Sachsen sowie die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (Abteilung Gefährdungsmanagement) aus Österreich beteiligt.

Funktionsweise von RADAR-rechts

RADAR-rechts ist ein standardisiertes Risikobewertungsinstrument, das spezifisch für den polizeilichen Einsatz im Bereich Staatsschutz entwickelt wurde. Mit dem Instrument können Personen des rechten Spektrums, die polizeilich bekannt sind, hinsichtlich ihres Risikos für die Begehung einer konkret lebensgefährlichen, rechtsmotivierten Gewalttat in Deutschland bewertet werden. Auf der Grundlage einer standardisierten Fallaufbereitung werden Risiko- und Schutzmerkmale einer Person beurteilt und die Person einer zweistufigen Risikokategorie zugeordnet. Dies ermöglicht eine Priorisierung des Personenpotentials und eine zielgenauere Interventionsplanung.

Für die Anwendung von RADAR-rechts greifen die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter auf Informationen zurück, die ihnen bereits vorliegen oder die sie aufgrund der gültigen Rechtslage erheben dürfen. Die in RADAR-rechts abgefragten Informationen beziehen sich auf beobachtbares Verhalten – und nicht etwa auf Merkmale, welche Einstellungen oder persönliche Eigenschaften einer Person abbilden. Die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter ziehen möglichst viele Informationen zu Ereignissen aus dem Leben der Person heran, die zum besseren Gesamtverständnis einer aktuell bestehenden Problemsituation notwendig sind. Für den Einsatz von RADAR-rechts muss ein Mindestmaß solcher Informationen vorliegen.

Die Risikobewertung wird mit Hilfe eines auszufüllenden Risikobewertungsbogens mit standardisierten Fragen und Antwortkategorien durchgeführt. Die im Risikobewertungsbogen enthaltenen Fragen bilden sowohl risikosteigernde als auch -senkende Merkmale ab. Für die Bewertung der Merkmale ist immer die professionelle Einschätzung der zuständigen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter notwendig.

Nach Beantwortung aller Merkmale wird die bewertete Person einer zweistufigen Risikoskala zugeordnet. Diese unterscheidet zwischen einem moderaten und einem hohen Risiko. Das moderate Risiko impliziert, dass in Bezug auf die Begehung einer konkret lebensgefährlichen, rechtsmotivierten Gewalttat kein unmittelbarer Handlungsbedarf besteht. Bei einem hohen Risiko liegt demgegenüber ein unmittelbarer Handlungsbedarf vor.

In der Folge werden zu Hoch-Risiko-Personen, die mit RADAR-rechts identifiziert wurden, unter der Geschäftsführung des BKA personenbezogene Fallkonferenzen in der Arbeitsgruppe Risikomanagement (AG RIMA) des Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrums zur Bekämpfung des Rechtsextremismus/-terrorismus(GETZ-R) durchgeführt. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, den Erkenntnisaustausch mit den Länderdienststeilen und weiteren involvierten Behörden (z. B. der Bundespolizei) zu fördern, eine einvernehmliche Bewertung der Person und ihres Risikopotenzials zu schaffen, erforderliche Handlungsoptionen für die bewertete Person abzuwägen und sich auf die Maßnahmenplanung behördenübergreifend zu verständigen.

Bedeutung

Mit RADAR-rechts können in erster Linie Priorisierungsentscheidungen getroffen werden. Das bedeutet, dass festgestellt werden kann, welche Risiko- und Schutzmerkmale bei einer Person vorliegen, wodurch die Fallpriorisierung ermöglicht wird. Welche tatsächliche Relevanz diese Risiko- und Schutzmerkmale im Einzelfall besitzen und wie sie miteinander verknüpft sind, lässt sich durch RADAR-rechts nicht beantworten. Dafür bedarf es einer Einzelfallbetrachtung, die sich mit den spezifischen Eigenheiten eines Falls auseinandersetzen kann, der Individualität eines Falls gerecht wird und eine personenbezogene Maßnahmenplanung ermöglicht. RADAR-rechts kann eine solche Einzelfallbetrachtung nicht ersetzen. RADAR-rechts ist vielmehr als Hilfsmittel zu verstehen, das unterstützend herangezogen wird. Es ergänzt somit die bereits unabhängig von einer RADAR-rechts-Bewertung zur Anwendung kommenden Standardmaßnahmen bei Gefährdern und Relevanten Personen im Bereich des polizeilichen Staatsschutzes.

RADAR-rechts leistet durch eine verbesserte Strukturierung und Dokumentation biografischer Verläufe bereits bekannter Personen der PMK -rechts- eine wichtige Hilfestellung bei der Risikobewertung. Die von den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern vorgenommenen Bewertungen mit RADAR-rechts sind transparent und nachvollziehbar. Erstmals ist eine bundesweit einheitliche und vergleichbare Bewertung des Gewaltrisikos von polizeilich bekannten Rechtsextremisten möglich. Mittels RADAR-rechts können die Ressourcen deutscher Sicherheitsbehörden zielgerichteter auf jene Personen ausgerichtet werden, bei denen ein hohes Risiko für die Begehung einer konkret lebensgefährlichen, rechtsmotivierten Gewalttat in Deutschland festgestellt wird.