Bundeskriminalamt (BKA)

Die Handschrift als Tatschrift

International agierende Tätergruppen, wie sie beispielsweise im Zusammenhang mit Überweisungsbetrug in Erscheinung treten, oder auch Erpresser, Scheck- und Einmietbetrüger, Extremisten oder Terroristen hinterlassen mitunter Geschriebenes, aus dem der Handschriften-Erkennungsdienst des Kriminaltechnischen Instituts gegebenenfalls wertvolle Merkmale und Zusammenhänge zu extrahieren vermag.

Die zunehmende Internationalisierung des Verbrechens stellt neue Anforderungen an die Bearbeitung von Handschriften in der Zentralen Handschriftensammlung.

Die Untersuchung von Schriften ausländischer Verfasser setzt Erfahrungen mit der jeweiligen nationalen Schreibweise und die Kenntnis der Schulschriftvorlage, nach der ein Schreiber unterrichtet wurde, voraus, um beurteilen zu können, welche graphischen Eigenheiten schreiberspezifisch und welche nur der Eigenart der nationalen Schreibweise geschuldet sind.

Das Kriminaltechnische Institut unterhält eine umfangreiche Sammlung ausländischer Schulvorlagen.

Die Tatschriftensammlung des BKA beinhaltet weit über 40.000 Dokumente und über 20.000 Personensätze. Über den kriminalpolizeilichen Meldedienst werden zu untersuchende Handschriften der Zentralstelle des KTI zugeleitet, um Tatzusammenhänge bzw. Urheberschaftszusammenhänge festzustellen oder auszuschließen.

Das zentrale Arbeitsmittel des Handschriften-Erkennungsdienstes ist das Forensische Informations-System Handschriften (FISH). Dieses im BKA entwickelte und weltweit bisher einzigartige Expertensystem wird zunehmend auch von ausländischen Polizeidienststellen nachgefragt und eingesetzt.

Zum Abgleich mit der Sammlung des BKA wird das zu untersuchende Schriftmaterial eingescannt und das digitale Bild in einer Vorverarbeitungsstufe auf die reine handschriftliche Information reduziert. Halbautomatisch können dabei störende Bildanteile, wie Aufdrucke und Hintergrundmuster, Verschmutzungen und Linien, entfernt werden.

Eine erste Merkmalsextraktion besteht in der von Inhalt, Sprache oder Schriftart völlig unabhängigen, vollautomatischen Berechnung der Schriftverteilung in einem repräsentativ ausgewählten Bildausschnitt.

In einem zweiten Schritt werden aussagekräftige Einzelbuchstaben isoliert und in Form und Strichverlauf mit bereits gespeicherten Buchstaben verglichen. Schließlich werden interaktiv Höhen, Breiten, Abstände, Winkel und Schleifenformen der Schriftelemente vermessen.

Zahlreiche Besonderheiten in der individuellen Ausgestaltung der Handschrift können zur Identifizierung eines Schreibers führen. Hier Beispiele des Kleinbuchstabens „s“ Kriminaltechnik - Erpressung - Handschriftliches Erpresserschreiben - Schriftmerkmale - Bild 2

Angaben zum verwendeten Schriftsystem, zur Schriftart, zu bisher nicht erfassten Besonderheiten, aber auch Angaben zur Deliktart oder zur Tatzeit präzisieren die Sammlungsrecherche weiter. Im Ergebnis werden Trefferlisten angezeigt, auf denen der Sammlungsbestand nach Ähnlichkeit zur recherchierten Schreibleistung in eine Rangfolge sortiert wurde. Nach Inspektion der gespeicherten Sammlungsbilder am Bildschirm wird dann entschieden, welche Originaldokumente aus der Sammlung zur abschließenden schriftvergleichenden Untersuchung herangezogen werden müssen. Erst danach steht fest, ob der gesuchte Schreiber bereits im BKA bekannt ist oder nicht.