Der Begriff „Profiling“ mag weit verbreitet sein, er geht an der Realität der Dienststellen der Operativen Fallanalyse bei der deutschen Polizei vorbei. Der zentrale Begriff der Fallanalyse drückt unter anderem aus, dass der gesamte Fall, die ihn prägenden Abläufe und der Kontext, in den er eingebettet ist, im Zentrum der Analyse stehen. Eine Täterprofilerstellung stellt nur ein fallanalytisches Werkzeug unter mehreren dar, fallanalytische Schritte wie zum Beispiel die Tathergangsanalyse müssen zudem zwingend vorgeschaltet sein. Eine Profilerstellung ohne die zuvor durchgeführte Fallanalyse wäre unseriös.
Im Folgenden erfahren Sie mehr über die tatsächlichen Rahmenbedingungen der Operativen Fallanalyse.
Am Anfang der Einbindung einer OFA-Einheit zur Unterstützung in einem Kriminalfall stehen immer Fragen: Wie gefährlich ist ein Täter? Wie war der Tathergang? Und was hat den Täter zu seinem Handeln veranlasst? Handelt es sich um einen Fremd- oder einen Beziehungstäter? Es handelt sich dabei um Fragen, deren Beantwortung zum Alltagsgeschäft polizeilicher Ermittlungen gehört. Die Operative Fallanalyse ist bei der Beantwortung solcher Fragen nicht besser als die zuständigen Ermittlungseinheiten, sie geht methodisch den Weg der Fallanalyse und ermöglicht so ergänzende Sichtweisen.
Die Operative Fallanalyse (OFA) selbst ist ein kriminalistisches Werkzeug, das im Zuge der Anwendung spezieller fallanalytischer Techniken zur Unterstützung der polizeilichen Ermittlungen eingesetzt wird. Fallanalysen sind immer dann möglich, wenn Verhaltensmerkmale des Täters bewertet und daraus Ableitungen im Hinblick auf die Individualität des Täters gezogen werden können.
Die Mitarbeitenden der OFA arbeiten stets im Team und nutzen objektivierbare Daten sowie Informationen zu Tat und Opfer, um das Fallverständnis zu vertiefen. Dabei verfolgen sie das Ziel, Hinweise zu erarbeiten, die den Ermittlerinnen und Ermittlern bei ihrer polizeilichen Arbeit helfen können.
Anwendungsbereich der Operativen Fallanalyse
Klassische Anwendungsbereiche für fallanalytische Verfahren waren ursprünglich Tötungsdelikte und Sexualdelikte. Heutzutage gibt es aber ein breites Methoden-Spektrum, das für alle Deliktsbereiche eingesetzt werden kann. Neben der Analyse von Einzeldelikten können auch Tatserien bearbeitet und Tatzusammenhängen überprüft werden.
Methoden der Fallanalyse
Zur Analyse eines Kriminalfalls kann die OFA zwischen verschiedenen Fallanalyse-Methoden wählen. Dabei liegt der Fokus immer auf den strukturellen Zusammenhängen, die sich aus Verhalten und Zielen des Täters ergeben. So können Schlussfolgerungen gezogen werden, die der Unterstützung der Fallklärung dienen, beispielsweise:
- Tathergänge beleuchten
- Biografien rekonstruieren
- Täterprofile erstellen
- Kommunikation im Hinblick auf Authentizität und persönlichkeitsbedingte Elemente bewerten
- Gefährlichkeit noch agierender Täter und Gefährdung möglicher Opfer einschätzen
Daraus ergeben sich Ermittlungsempfehlungen und Vorschläge zur Unterstützung taktischer Maßnahmen, vor allem im Bereich der Vernehmung oder Fahndung.
Auch wenn die Methoden der OFA variieren, ist die grundsätzliche Vorgehensweise immer gleich.
Arbeit in Teams
Fallanalysen werden bei der deutschen Polizei immer in Teams durchgeführt, bei dem mindestens drei polizeiliche Fallanalytikerinnen und -analytiker zusammenarbeiten, die speziell hierfür ausgesucht und ausgebildet wurden Die Arbeit im Team ist ein entscheidendes Kriterium für die hohe Qualität Operativer Fallanalysen.
Hohe Qualitätsstandards
Eine gleichbleibend hohe Qualität der angewandten fallanalytischen Techniken und der erzielten Ergebnisse stellen zentrale Zielsetzungen der Operativen Fallanalyse dar. Daher sind die Rahmenbedingungen und Kernelemente der Fallanalysen, wie sie durch die Polizeien des Bund und der Länder durchgeführt werden, in Qualitätsstandards für die Durchführung von Fallanalysen bei der deutschen Polizei verbindlich festgelegt. Damit wird gewährleistet, dass alle deutschen Polizeien bei der Fallanalyse die gleiche Methode einsetzen und zu vergleichbaren Ergebnissen kommen.
Arbeiten bei der OFA so genannte Profiler?
Nein, der Begriff „Profiler“ wird von den deutschen Polizeibehörden nicht verwendet. Während der Begriff „Profiler“ suggeriert, dass eine Person alleine einen Fall analysiert, stellt bei der OFA die Arbeit im Team nach einem systematisierten Ansatz das zentrale methodische Element dar und gewährleistet zudem eine gleichbleibende hohe Qualität. Die Operative Fallanalyse ist eine kriminalistische Methode - daher werden primär Polizistinnen und Polizisten eingesetzt und nicht etwa Psychologinnen und Psychologen.
Wie kann man Fallanalytikerin oder Fallanalytiker einer OFA-Einheit werden?
Wer Interesse an der Arbeit in einer OFA-Einheit hat, braucht grundsätzlich ein erfolgreich abgeschlossenes polizeiliches Hochschulstudium und sollte über eine fallanalytische Eignung verfügen. Außerdem kann für Polizeiangehörige das Sammeln von Erfahrungen im Rahmen von Vorverwendungen in bestimmten Ermittlungsbereichen oder etwa der Tatortarbeit bei der Besetzung einer freien OFA-Stelle ein bedeutsames Kriterium darstellen. Seitens der OFA-Dienststellen wird jedoch immer wieder darauf hingewiesen, dass es nicht erfolgsversprechend ist, seine Berufsausbildung so auszurichten und zu planen, dass am Ende nur eine Beschäftigung in einer OFA-Dienststelle in Frage kommt, da es in jedem Bundesland und im Bundeskriminalamt jeweils nur eine einzige OFA-Dienststelle gibt. Auch das Absolvieren von einschlägigen Studiengängen im Bereich der Sozialwissenschaft stellt keine erfolgversprechende Strategie dar, um die Wahrscheinlichkeit für eine Arbeit in der OFA markant zu erhöhen.
Wie hat sich die OFA im BKA entwickelt?
- 1980er Jahre: erstes Instrumentarium der OFA entwickelt
In der kriminalistisch-kriminologischen Forschungsgruppe des BKA hatte man in den 1980er Jahren damit begonnen, internationale fallanalytische Verfahren, die unter anderem als „Profiling“ bekannt geworden waren, kritisch zu untersuchen und deren Übertragbarkeit auf deutsche Verhältnisse zu prüfen. Hintergrund hierfür bildeten Ergebnisse aus verschiedenen phänomenologischen Studien des BKA und Erfahrungen im BKA mit der Auswertung im Bereich der Sexualdelikte. Hieraus wurde das Instrumentarium der Operativen Fallanalyse (OFA) entwickelt. Ende der 80er Jahre führte die Forschungsgruppe die ersten Fallanalysen durch und setzte die Ergebnisse in Pilotprojekten um.
- 1990er Jahre: Anpassungen der Methodik und Einführung einer OFA-Spezialausbildung
Zu Beginn der 90er Jahre wurde das erste Grobkonzept durch die OFA des BKA erstellt, im Rahmen einer internationalen Veranstaltung vorgestellt und kurz darauf veröffentlicht. Anfang 1998 setzte die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskriminalämter mit dem Bundeskriminalamt (AG Kripo) eine Bund-Länder-Projektgruppe zum Thema „Fallanalytische Verfahren und das ViCLAS-Datenbanksystem“ ein, um die Frage zu klären, welche neuen Verfahren für die Fallanalyse bei der deutschen Polizei eingesetzt werden sollten. Die Projektgruppe einigte sich bezüglich des polizeilichen Tätigkeitsfeldes „Operative Fallanalyse (OFA)“ auf die Festlegungen der entsprechenden Begriffe und Inhalte, die Anfang 1999 verbindlich für die deutsche Polizei eingeführt wurden. Es wurden seither eine Reihe von Anpassungen und Erweiterungen der Fallanalyse-Methodik vorgenommen, die zudem zu einem großen Teil publiziert sind. Die polizeiliche Spezialausbildung der deutschen Polizei im Bereich der Operativen Fallanalyse begann im Jahr 1999. Die entsprechenden Ausbildungskonzepte und -inhalte zu den einzelnen praxisbegleitenden Lehrgängen werden ebenfalls regelmäßig durch Bund-Länder-Gremien überarbeitet.
- 2000er Jahre bis heute: hohe Qualitätsstandards bezüglich Ausbildung und Arbeit der OFA
2003 wurden erstmalig durch eine Bund-Länder-Projektgruppe Qualitätsstandards der Fallanalyse erarbeitet, die regelmäßig überarbeitet werden. Die OFA-Lehrgänge des BKA sind mittlerweile von Hunderten von Fallanalytikerinnen und Fallanalytikern des Bundes und der Länder, zum Teil auch aus dem Ausland, besucht worden, von denen eine große Anzahl die Ausbildung zur Polizeilichen Fallanalytikerin bzw. zum Polizeilichen Fallanalytiker abgeschlossen hat.