Bundeskriminalamt (BKA)

Forschungsprojekte des BKA zu Terrorismus / Extremismus

Die Forschungs- und Beratungsstelle Terrorismus / Extremismus im BKA erstreckt sich über die gesamte Bandbreite von Rechts-, Links- und dem so genannten religiös motivierten Extremismus bzw. Terrorismus. Ziel ist es, Entstehungsbedingungen von Extremismus/ Terrorismus sowie die Entwicklungsverläufe von sich radikalisierenden Personen und die Einflussfaktoren auf Radikalisierungsprozesse tiefer zu durchdringen und zu verstehen.

2017: Politisch Motivierte Kriminalität: Forschung zur phänomenübergreifenden Prävention
Suche nach Geborgenheit, Lebensorientierung, Anerkennung – die Gründe, warum sich eine Person einer extremistischen Gruppierung anschließt müssen nicht immer politische sein. Welche Entwicklungsmöglichkeiten bestehen für eine phänomenübergreifende Präventionsarbeit? Was sind die Erfahrungen? Diesen und weiteren Fragen werden in aktuellen Forschungsergebnisse beantwortet.

Entwicklungsmöglichkeiten einer phänomenübergreifend ausgerichteten Prävention politisch motivierter Gewaltkriminalität (PüG)

Der individuelle Anschluss an eine (extremistische) Gruppierung und auch Tatbeteiligungen können von unpolitischen Beweggründen mitbestimmt sein: Suche nach Geborgenheit, Lebensorientierung, Anerkennung, Abenteuer oder Macht. Ideologien sind häufig sekundär. Das Leben der Täter ist häufig durch prekäre Lebensbedingungen, enormen Entwicklungsstress und eine problematische Bildungs- und Beschäftigungssituation geprägt und ähnelt damit dem anderer delinquenter Jugendlicher.
Es gibt aktuelle Forschungsbefunde zu den Ursachen und Risikofaktoren von politischem Extremismus, die - mit der gebotenen Vorsicht - zu dem Bild zusammengefügt werden können, dass die Verlaufsformen und -dynamiken im Radikalisierungsprozess der verschiedenen Phänomenbereiche grundlegende Gemeinsamkeiten aufweisen.
Ziel des Projektes ist es zu prüfen, welche Entwicklungsmöglichkeiten einer phänomenübergreifend ausgerichteten Prävention politisch motivierter Gewaltkriminalität vor dem Hintergrund aktueller Forschungserkenntnisse einerseits sowie der bestehenden Erfahrungen der Präventionspraxis andererseits bestehen. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse wird angestrebt, konkreter Handlungsempfehlungen für die kriminalpräventive Praxis zu erarbeiten.

Ergebnisse sind u.a.:

  • Phänomenübergreifende Ansätze sind bei universeller und indizierter Prävention sinnvoll.
  • Staatliche und zivilgesellschaftliche Extremismusprävention ergänzen sich hinsichtlich Zielgruppen/-setzungen und Arbeitsfeldern.
  • Psychosoziale Beweggründe werden zu wenig gewürdigt.
  • Regionale Besonderheiten und Zielgruppenorientierung müssen gestärkt werden.
  • Verhaltensorientierte Gewaltprävention ist unabhängig vom Phänomenbereich auszubauen, um das Risiko von Fehlentwicklung zu vermeiden (insbesondere vor dem Hintergrund von Migrationsbewegungen und Wechselwirkungen unterschiedlicher Extremismusarten).
  • Extremismusprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.
  • Es ist erforderlich, dass sich Psychologen und Psychiater stärker mit dem Thema Extremismus befassen.
  • Sozialpädagogische Strukturen in Schulen und muslimischen Gemeinschaften sind ausbaubedürftig.
  • Garant für erfolgreiche Prävention ist ein breites Portfolio staatlicher und zivilgesellschaftlicher Maßnahmen, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten. Hierbei ist auf Einzelfallorientierung zu achten.
  • Kooperationen müssen gefördert und vereinfacht werden. Um Mehrfachstrukturen zu vermeiden, müssen klare Zuständigkeiten bestehen (klare horizontaler und vertikaler Aufgabenteilung). Zudem ist eine dauerhafte Finanzierung wichtig.
  • Das Web 2.0 muss stärker besetzt werden. Die Vermittlung von Medienkompetenz muss intensiviert werden
  • Fortbildung für alle statt Multiplikatorenprinzip für Fachpersonal aus Bildung/Erziehung, JVA, Polizei und Moscheegemeinden nötig.
  • Polizeidienststellen sind im Sinne des Community Policing mit wichtigen lokalen Strukturen zu vernetzen.

    Die detaillierten Forschungsergebnisse finden Sie hier:
  • PüG - Literaturanalyse Schutz- und Risikofaktoren

  • PüG - Extremismusprävention in Deutschland - Erhebung und Darstellung der staatlichen Präventionslandschaft
  • PüG - Extremismsprävention in Deutschland – Erhebung und Darstellung der staatlichen und zivilgesellschaftlichen Präventionslandschaft
  • PüG – Extremismusprävention in Deutschland – Herausforderungen und Optimierungspotential

2016: Counter Narratives
Aufbauend auf "Propaganda 2.0", einem Forschungsprojekt aus dem Jahr 2013, analysiert die Studie Counter Narratives die Wirkungsweise der "positiven Gegenrede" und soll so zur Prävention islamistischer und rechtsextremistischer Propaganda beitragen.

Counter Narratives

Sog. "Counter Narratives" werden seit einigen Jahren von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren verstärkt in der Prävention von Radikalisierung, Extremismus und Terrorismus eingesetzt. Es handelt sich dabei um das Prinzip der Verbreitung von freien, die demokratisch verfasste Gesellschaftsordnung konkret befürwortenden Botschaften, welche der einseitigen Narrativen der Propaganda von extremistischen Organisationen entgegentreten soll. Dabei spielt vor allem das Internet und Social Media eine tragende Rolle bei der Verbreitung dieser Botschaften, da heutzutage junge Menschen verstärkt im Internet durch extremistische Propaganda beeinflusst werden.
Während besonders über die Umsetzung von "Counter Narratives" bereits vielfältig geforscht wurde, findet sich eine Forschungslücke im Bereich der konkreten Inhalte und deren Wirksamkeit und Eignung in der anvisierten Zielgruppe. Das primäre Ziel des Projekts soll also die Identifizierung von effektiven Wirkmechanismen und Bewertungskriterien sowie inhaltlichen und kontextuellen Eigenschaftsmerkmalen für erfolgreiche positive Präventionsbotschaften bzw. "Counter Narratives" sein.
Aufgrund der Komplexität der Studie wurden die Arbeitsschritte modular und interdisziplinär ausgeführt.

  • In einem ersten Modul sollte zunächst das Feld gegenwärtig eingesetzter „Counter Narratives“ gesichtet und diejenigen ausgewählt werden, die aufgrund fachlich-theoretischer Erwägungen sinnvoll erscheinen. Dazu ist es erforderlich, vorhandene Inhalte zu sammeln und zu kategorisieren sowie fremdsprachliche Inhalte ins Deutsche zu übersetzen. Die kontextuellen Rahmenbedingungen des Einsatzes durch Präventionsakteure sollten dokumentiert werden: Wer wird in welchem Rahmen wo adressiert.
  • In einem zentralen zweiten Modul sollten repräsentative Stichproben von "Counter Narratives" anhand einer Experimentalstudie auf ihre Wirkung in unterschiedlichen Kontexten untersucht werden – die hierfür im Kern erforderlichen Methoden wurden im Rahmen des im Auftrag des BKA bearbeiteten Projekts "Internetpropaganda 2.0" an der Universität zu Köln bereits erfolgreich erprobt.
  • Im dritten Modul sollen qualitative Verfahren (Focusgroups) eingesetzt werden, um die Befunde des 2. Moduls zu vertiefen und handlungspraktische Aspekte herauszuarbeiten.
    Die Erkenntnisse aus beiden Projekten, "Propaganda 2.0" sowie "Counter Narratives", sollen als Grundlage für die Entwicklung eines Präventionsprogrammes dienen, welches EU-weit an Schulen zur Stärkung der politischen Teilhabe und zur Förderung eines anti-extremistischen Bewusstseins bei Lernenden eingesetzt werden kann.

2016: CONTRA - Countering Propaganda by Narration Towards Anti-Radical Awareness
Viele junge Menschen nutzen soziale Netzwerke in ihrem Alltag. Rechtsextremistische und islamistische Propagandainhalte werden zunehmend über diese Netzwerke im Internet verbreitet.
Die Wirkung der Propagandainhalte darf, wie medienpsychologische Studien zeigen, nicht unterschätzt werden.

CONTRA (Countering Propaganda by Narration Towards Anti-Radical Awareness / Förderung kritischer Medienkompetenz zur Prävention der Effekte rechtsextremistischer und islamistischer Propaganda)

Der tägliche Umgang mit YouTube, Facebook und Twitter ist seit Jahren fester Bestandteil des Alltags vieler Jugendlicher. Viele junge Menschen werden durch die sozialen Medien informiert und unterhalten. Parallel zu dieser Entwicklung beobachten Sicherheitsbehörden eine zunehmende Präsenz rechtsextremistischer und islamistischer Propagandainhalte im Internet (Link - Rubrik Hintergrund), die vor allem mittels sozialer Medien und Videoplattformen verbreitet werden. Die Wirkung dieser Inhalte darf, wie medienpsychologische Studien zeigen, nicht unterschätzt werden. Hier setzt CONTRA an.
Mehr Informationen zum EU-Projekt CONTRA finden Sie hier.

2015: Radikalisierungshintergründe und -verläufe von Personen, die aus islamistischer Motivation in Richtung Syrien oder Irak ausgereist sind
Welche Personen sind bisher aus Deutschland in Richtung Syrien/Irak ausgereist? Welche Faktoren haben Einfluss auf die Radikalisierung bis zur Ausreise und welche Motive lagen der Ausreise und ggf. der Rückreise zugrunde? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich eine Untersuchung des Bundeskriminalamts, des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Hessischen Informations- und Kompetenzzentrums gegen Extremismus.

Analyse der Radikalisierungshintergründe und – verläufe der Personen, die aus islamistischer Motivation in Richtung Syrien oder Irak ausgereist sind

Die Auseinandersetzungen in und um Syrien, die Gründung und versuchte Ausweitung des sogenannten Islamischen Staates (IS) sowie der Kampf gegen eben diese terroristische Organisation sind Themen, die die internationale und nationale Politik weiterhin bestimmen. Diese Themen haben offenbar auch Islamisten weltweit in bisher nicht dagewesenem Maß emotionalisiert und mobilisiert. Auch in Deutschland nutzen vor allem salafistische Einrichtungen und Akteure den Konflikt in Syrien sowie Irak, um ihre extremistische Ideologie zu verbreiten und neue Anhänger zu rekrutieren. Durch die relativ gute Erreichbarkeit Syriens sowie die Möglichkeit, über das Internet Netzwerke aufzubauen und Propaganda effektiver für unterschiedliche Zielgruppen zu platzieren, entwickelte sich eine Sogwirkung, die seit Mitte des Jahres 2012 zu einem massiven Anstieg an islamistisch motivierten Ausreisen in Richtung Syrien oder Irak führte.
Die vorliegende Studie wurde im Auftrag der Innenministerkonferenz gemeinsam vom Bundeskriminalamt, Bundesamt für Verfassungsschutz und Hessischen Informations- und Kompetenzzentrum gegen Extremismus erstellt. Sie informiert über die Radikalisierungshintergründe und -verläufe der bundesweit insgesamt 677 Personen, zu denen den deutschen Innensicherheitsbehörden bekannt ist, dass sie bis Ende Juni 2015 aus islamistischer Motivation aus Deutschland in Richtung Syrien und Irak ausgereist sind oder dies aktiv versucht haben.
In der Untersuchung werden vor allem folgende Aspekte betrachtet:

  • Welche Personen sind bisher aus Deutschland in Richtung Syrien/Irak ausgereist?
  • Welche Faktoren hatten/haben Einfluss auf die Radikalisierung bis zur Ausreise und welche Motive lagen der Ausreise und ggf. der Rückreise zugrunde?
  • Wer hat in Syrien/Irak was gemacht?
  • Wo "stehen" die Rückkehrer?
  • Ist eine veränderte Ausreisedynamik zu beobachten?

Der Aufbau der Studie ist zweigeteilt. In einem ersten Schritt werden die Häufigkeitsverteilungen und Mittelwerte zu den zentralen Merkmalen der Gesamtgruppe von 677 Personen aufgeführt. Hierzu zählen das Alter, der Bildungshintergrund, die Radikalisierungsfaktoren und Ausreise- und Rückreisedaten. Darauf aufbauend werden im zweiten Schritt vergleichende Analysen zwischen unterschiedlichen Teilgruppen angefertigt. Diese Gruppenvergleiche erlauben eine Einschätzung über veränderte Ausreisedynamiken und eröffnen die Möglichkeit, unterschiedliche Einflussfaktoren zu identifizieren und deren Bedeutung für das Radikalisierungsgeschehen näher einzuschätzen.
Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Radikalisierungshintergründe der Syrien-Reisenden heterogen sind und die präventiven Bemühungen insofern weiterhin zu diversifizieren sind. Inwieweit sich die in der Studie dokumentierten Veränderungen hinsichtlich einer veränderten Ausreise- sowie Radikalisierungsdynamik insbesondere infolge der Ausrufung des Kalifats im Juni 2014 weiter fortschreiben, bleibt zu beobachten.

2013: Propaganda 2.0 Psychological Effects of Right-Wing and Islamic Extremist Internet Videos
In welcher Intensität lassen sich Wirkungseffekte von islamistischer und rechtsextremistischer Internetpropaganda ausmachen? Gibt es innerhalb und zwischen bestimmten Gruppen Unterschiede? Mit diesen Fragen beschäftigte sich im Zeitraum von 2010 bis 2013 das Forschungsprojekt "Propaganda 2.0".

Propaganda 2.0 Psychological Effects of Right-Wing and Islamic Extremist Internet Videos

Unter dem Titel "Propaganda 2.0" wurde im Zeitraum von 2010 bis 2013 das Forschungsprojekt "Analyse der Wirkungsweisen islamistischer und rechtsextremistischer Propaganda im Internet - Möglichkeiten experimental-psychologischer Zugänge" von der "Forschungsstelle Terrorismus/Extremismus (FTE)" des Bundeskriminalamtes durchgeführt.
Zunehmend verbreiten islamistische Organisationen ihr Propagandamaterial im Internet und erreichen damit in kürzester Zeit eine hohe Anzahl von Menschen, damit nehmen sie starken Einfluss auf Radikalisierung- und Rekrutierungsprozesse, besonders bei jungen Menschen.
Um dieser Entwicklung effektiv entgegenzuwirken, bedarf es eines besseren Verständnisses der Wirkungsweise von Propaganda sowie ihrer Zielgruppe. Um dies zu erreichen, wurden zwei Untersuchungsgruppen, eine studentische und eine nicht-studentische nacheinander innerhalb eines psychologischen Laborexperiments untersucht. Auf eine Forschungsstandaufbereitung folgte die Auswahl repräsentativer Sequenzen islamistischer und rechtsextremistischer Propagandavideos, mit denen dann die Teilnehmenden der Untersuchungsgruppen konfrontiert wurden.
Zentrale Fragestellung des Forschungsprojekts war, in welcher Intensität sich Wirkungseffekte von Internetpropaganda ausmachen lassen und ob sich innerhalb und zwischen bestimmten Gruppen Unterschiede abzeichnen. Darauf aufbauend ging es um die Identifikation von Faktoren, die bestimmte Personengruppen eher empfänglich oder resistent gegenüber Propaganda dieser Art machen.
Es ließen sich aus der Studie wichtige Erkenntnisse ableiten; so scheint besonders die Art von Propaganda umfassende Wirkung zu entfalten, die als überzeugend und nicht einseitig konzipiert wahrgenommen wird, auch wird die Wirkung eher auf emotionaler als auf kognitiver Ebene erzielt. Im Folgenden kann nur eine Auswahl der relevantesten Ergebnisse präsentiert werden:

  • Extremistische Propaganda entfaltet wegen ihrer Einbettung in einen spezifischen sozio-kulturellen Kontext eher eine Wirkung in der jeweiligen kulturellen Bezugs- bzw. Referenzgruppe.
  • Die Wirkung scheint umso größer zu sein, je niedriger der Bildungsstand der Rezipienten ist.
  • Eine rechtsorientierte politische Haltung führt zu einer positiveren Bewertung extremistischer Propaganda.
  • Autoritarismus wurde als einziger Einflussfaktor auf Seiten der Persönlichkeitsvariablen identifiziert: Personen mit höher ausgeprägten autoritaristischen Merkmalen beurteilen Propaganda positiver.

Die Befunde dieser Studie dienten neben anderen Quellen als Basis für das Projekt "Counter Narratives" der FTE, innerhalb dessen deren Wirkungsweisen untersucht werden sollten, um in langfristiger Perspektive der Effektivität von islamistischer und rechtsradikaler Propaganda im Internet entgegenwirken zu können.
Dokumentiert im Band 44 der Reihe Polizei+Forschung: Diana Rieger, Lena Frischlich, Gary Bente [2013] Propaganda 2.0, Psychological Effects of Right-Wing and Islamic Extremist Internet Videos.

2010: Gewalt von der linken und rechten militanter Szenen
Dieses Forschungsprojekt beschäftigt sich mit Gewaltdelikten in der rechten und linken militanten Szene. Die Ergebnisse zeigen einen bedenklich hohen Anteil lebensbedrohlich eingesetzter rechter Gewalt, bei der es oft lediglich situativen Zufälligkeiten überlassen bleibt, ob das Opfer zu Tode kommt oder nicht. Bei der linken Gewalt ist die akute Dimension der Lebensbedrohlichkeit zwar geringer ausgeprägt, sie ist aber durchaus anzutreffen.

Gewalthandeln linker und rechter militanter Szenen

Das Projekt wurde unter dem Titel "Vergleichende Analyse von Gewaltdelikten der Bereiche PMK rechts und PMK links aller Bundesländer für die Jahre 2006-2009" im Auftrag des BKA vom Sozialwissenschaftler Matthias Mletzko bearbeitet.
Die Ergebnisse zeigen einen bedenklich hohen Anteil lebensbedrohlich eingesetzter rechter Gewalt, bei der es oft lediglich situativen Zufälligkeiten überlassen bleibt, ob das Opfer zu Tode kommt oder nicht. Diese Charakteristik hat sich offenbar seit den 1990er Jahren nicht verändert. Seit 2001 verteilen sich diese schweren Gewaltdelikte etwa zu gleichen Teilen auf die gegen Migranten und Randgruppen gerichtete Hassgewalt und die Konfrontation gegen linke und sonstige Gegner.
Bei der linken Gewalt ist die akute Dimension der Lebensbedrohlichkeit zwar geringer ausgeprägt, sie ist aber durchaus anzutreffen. Auch im linken Phänomenbereich scheint es Kontinuitäten von Tötungsbereitschaften zu geben: Kaum überraschend am häufigsten im eskalationsträchtigen Feld der Konfrontation gegen rechts. Darüber hinaus ist die Polizei am zweithäufigsten betroffen, dies insbesondere wieder in jüngerer Zeit. Auch die Tatsache, dass das Jahr 2009 die seit der PMK-Erfassung höchste Zahl linker versuchter Tötungsdelikte (darunter zwei Sachverhalte mit der Handlungsweise des Stein-/Flaschenwurfs) aufweist und sechs von sieben Delikten gegen die Polizei gerichtet sind, ist beachtenswert.
Die Projektergebnisse sind veröffentlicht in: "Aus Politik und Zeitgeschichte", Nr. 44/2010, S. 9 – 16, online: www.bpb.de/apuz/32409 und, in einer erweiterten Version, auf Französisch in: Revue des sciences sociales, no. 46, 2011, S. 116-125. Die deutsche Version: Gewalt linker und rechter militanter Szenen steht als Download zur Verfügung.

2010: Extremismen in biographischer Perspektive
Was war ausschlaggebend dafür, dass sie sich in extremistische bzw. terroristische Milieus hinein sozialisierten? Was motivierte sie, Straftaten zu begehen? Diesen und weiteren Fragen ging das Projekt in einer aufwändigen, mehrjährigen Studie nach. 40 männliche Personen mit Bezügen zu politisch bzw. religiös orientierten terroristischen bzw. extremistischen Milieus wurden hierzu zu ihren biographischen Verläufen befragt.

Extremismen in biographischer Perspektive

Obwohl die Themen "Terrorismus" und "Extremismus" zunehmend in den Aufmerksamkeitsfokus von Medien und Politik gerieten, ist die Anzahl empirischer Forschungsstudien immer noch außerordentlich gering. Dies ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass sich der Zugang zum Forschungsfeld, welches sich durch einen ausgesprochenen Dunkelfeldcharakter auszeichnet, oft nur schwer zu realisieren ist.
Bisherige Studien fußten daher in erster Linie auf Akten, Gerichtsurteilen oder Fremdaussagen - Daten, die nicht eigens zu Forschungszwecken erhoben wurden und sehr wahrscheinlich nicht die je subjektiv erlebten Wirklichkeiten der Terroristen bzw. Extremisten selbst widerspiegeln. Um jedoch zu verstehen, was Terroristen und Extremisten bewegt und motiviert, ist unumgänglich auch deren Sichtweisen, Deutungszusammenhänge und Interpretationen zu kennen.
In Kooperation mit dem Rhein-Ruhr-Institut der Universität Duisburg-Essen wurden in einer aufwändigen, mehrjährigen Studie 40 männliche Personen mit Bezügen zu politisch bzw. religiös orientierten terroristischen bzw. extremistischen Milieus zu ihren biographischen Verläufen befragt: Was war ausschlaggebend dafür, dass sie sich in extremistische bzw. terroristische Milieus hinein sozialisierten? Was motivierte sie, Straftaten zu begehen? Diesen und weiteren Fragen ging das Projekt gezielt nach. Vor allem aber versuchte es auch, Antworten auf die Frage zu finden, wer die Menschen sind, auf die man hinter der Fassade als "Terrorist" bzw. "Extremist" blickt.
Die Projektergebnisse sind dokumentiert im Band 40 der Reihe Polizei+Forschung, Saskia Lützinger [2010] Die Sicht der Anderen. Eine qualitative Studie zu Biographien von Extremisten und Terroristen.

2009: NPD-Wahlmobilisierung und politisch motivierte Gewalt. Sachsen und Nordrhein-Westfalen im kontrastiven Vergleich
Besteht eine Wechselwirkungen zwischen NPD-Wahlmobilisierungen und dem Gewalthandeln rechts- sowie linksmilitanter Szenen? Dieser Frage geht diese Studie nach. Sie zieht einen Vergleich zwischen den Bundesländern Sachsen und Nordrhein-Westfalen und geht der Leitfrage mittels quantitativer Analysen der Polizei- und Wahldaten sowie mit qualitativen Untersuchungen (Gerichtsakten, Szeneschriften, Fallstudien zu Räumen gehäufter rechter Gewalttätigkeit, Experteninterviews) nach.

NPD-Wahlmobilisierung und politisch motivierte Gewalt. Sachsen und Nordrhein-Westfalen im kontrastiven Vergleich
Seit Beginn der neunziger Jahre stellt rechte, insbesondere fremdenfeindliche Gewalt einen beträchtlichen Teil des Gesamtaufkommens politisch motivierter Gewaltkriminalität in Deutschland. Auch die Bekämpfung des politischen und lebensstilistischen "Feindes" hat an Gewicht gewonnen.
Ein bedenklich hoher und stabiler Gewaltsockel mit überproportionalen Anteilen der östlichen Bundesländer bestimmt das Bild. Angesichts teils spektakulärer Wahlerfolge auf regionaler Ebene stellt sich die Frage, welche Rolle die radikalisierte Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) bei dem hohen Gewaltaufkommen spielt.
Eine Forschungsgruppe am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. in Dresden hat für den Zeitraum 2003 bis 2006 untersucht, ob Wechselwirkungen zwischen NPD-Wahlmobilisierungen und dem Gewalthandeln rechts- sowie linksmilitanter Szenen bestehen. Die Studie zieht einen kontrastiven Vergleich zwischen den Bundesländern Sachsen und Nordrhein-Westfalen und geht der Leitfrage mittels quantitativer Analysen der Polizei- und Wahldaten sowie mit qualitativen Untersuchungen (Gerichtsakten, Szeneschriften, Fallstudien zu Räumen gehäufter rechter Gewalttätigkeit, Experteninterviews) nach.
Die Projektergebnisse sind dokumentiert im Band 39 der Reihe Polizei+Forschung, Uwe Backes, Matthias Mletzko, Jan Stoye [2010] NPD-Wahlmobilisierung und politisch motivierte Gewalt.