Die deutsche Polizei hat im vergangenen Jahr 346.877 Rauschgiftdelikte registriert, 1,8 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Aufklärungsquote bei den Rauschgiftdelikten ist mit 90,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken. Zudem wurden 266.280 Tatverdächtige in Zusammenhang mit Rauschgiftdelikten registriert.
Entwicklungen 2023 im Detail
Cannabis: Die Droge mit dem größten Anteil bei den Rauschgiftdelikten
Cannabis bleibt auch 2023 mit einem Anteil von rund zwei Dritteln an allen Rauschgiftdelikten die Drogenart mit der weitaus höchsten Anzahl an Handels- und konsumnahen Delikten. 2023 wurden 207.563 Rauschgiftdelikte registriert.
2023 wurden insgesamt rund 20,9 Tonnen Marihuana und 3,7 Tonnen Haschisch sichergestellt. Das Marihuana stammt dabei primär aus westeuropäischem Indoor-Anbau, insbesondere aus Spanien. Zahlreiche Großtransporte sind per LKW oder auf dem Postversand nach Deutschland gelangt. Der Großteil des sichergestellten Haschisch stammt überwiegend aus Marokko und wurde über Spanien und Frankreich direkt oder über die Niederlande nach Deutschland gebracht. Neben der Einfuhr aus dem Ausland wird Cannabis weiterhin auch illegal in Deutschland angebaut: 2023 wurden insgesamt 450 Cannabis-Plantagen mit Anbaukapazitäten ab 20 Pflanzen sichergestellt, davon 146 Großplantagen (100 - 999 Pflanzen) und 37 Profiplantagen (ab 1.000 Pflanzen).
Mit dem am 01.04.2024 in Kraft getretenen Cannabisgesetz soll u.a. der bisher zum Großteil von der Organisierten Kriminalität kontrollierte Schwarzmarkt eingedämmt und damit eine wesentliche Finanzquelle der Organisierten Kriminalität bekämpft werden. Die konkreten Auswirkungen der neuen Gesetzgebung bleiben abzuwarten.
Kokain: Deutlicher Anstieg bei Delikten und Rekordsicherstellung
Ein besonders starker Anstieg ist 2023 bei Delikten mit Kokain zu beobachten: Die registrierten Delikte sind 2023 um 27,4 Prozent gestiegen und liegen somit auf einem neuen Höchststand. Auch die Sicherstellungsmengen bei Kokain werden immer größer. Im Vergleich zu den letzten beiden Jahren hat sich die Sicherstellungsmenge in Deutschland verdoppelt auf rund 43 Tonnen (2022: rund 20 Tonnen, 2021: rund 23 Tonnen). Die Tätergruppierungen zeigen zunehmend die Bereitschaft, Bestechungsgelder zu zahlen oder massive Gewalt sowohl gegen konkurrierende Banden als auch gegen eigene Gruppenmitglieder anzuwenden.
Die aus den Blättern des Coca-Strauchs hergestellte Droge gelangt hauptsächlich aus Ecuador und Brasilien nach Europa, oft über den Seeweg in Containern. Durch chemische Verfahren wird daraus Kokainhydrochlorid gewonnen, welches als weißes, kristallines Pulver bekannt ist. Die innereuropäische Weiterverteilung geschieht oft durch professionelle Schmuggelfahrzeuge. Im Jahr 2023 wurden 197 dieser Fahrzeuge gesichert. Unter anderem wurden darin 617 kg Kokain, weitere Drogen, Zigaretten, Gold und Waffen gefunden.
Heroin: Stabiler Konsumentenmarkt in Deutschland
Die Heroinhandelsdelikte sind 2023 um 4,2 Prozent auf 1.756 gesunken. Es wurden rund 171 kg Heroin sichergestellt (2022: rund 1.000 kg). Im Gegensatz zu 2022 erfolgte 2023 keine Heroin-großsicherstellung in Deutschland. Das Heroin gelangte primär mit LKW aus Afghanistan, Pakistan und dem Iran über die Verzweigungen der klassischen Balkanroute und der nördlichen Schwarzmeerroute nach Westeuropa. Transporte über die Südroute und Heroinlieferungen in Seefrachtcontainern wurden immer häufiger festgestellt.
Laut des United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) ist die Anbaufläche für Schlafmohn, dem Ausgangsstoff für Heroin, in Afghanistan um 95 Prozent zurückgegangen. Angesichts dieses Rückgangs bleiben die Folgen für den europäischen und deutschen Heroin-/Opioidmarkt abzuwarten. Denkbar sind sowohl Szenarien eines Wiedererstarkens des Schlafmohnanbaus in Afghanistan, eine (Teil)- Kompensation durch neue bzw. wiederauflebende Anbauregionen in anderen Ländern als auch ein steigender Absatzmarkt für synthetische Opioide in Deutschland.
Nach Einschätzung des BKA fällt die Senkung der Produktionskapazitäten jedoch geringer aus. Heroin ist weiterhin in ausreichender Menge in Deutschland verfügbar, jedoch zu höheren Preisen und geringerer Qualität.
Synthetische Drogen: Haben weiterhin eine hohe Bedeutung
Auch die synthetischen Drogen spielen weiterhin eine bedeutende Rolle. Große Produktionskapazitäten in den Niederlanden gewährleisten eine hohe Verfügbarkeit von Amphetamin und Ecstasy. Dies spiegelt sich auch in den Sicherstellungsmengen wider. 2023 wurden fast 2.000 kg Amphetamin, mehr als 1,1 Millionen Tabletten Ecstasy sowie über 450 kg Metamphetamin sichergestellt. Die Anzahl der sichergestellten Rauschgiftlabore ist im Jahr 2023 auf 14 gestiegen (2022: 9). Darunter befanden sich u. a. erstmals ein Labor für Neue Psychoaktive Stoffe (NPS) zur Herstellung von synthetischen Cannabinoiden in nicht geringer Menge sowie zwei Großlabore zur Herstellung von Amphetamin.
Bundeslagebild Drogen Bundeslagebild Rauschgift
Neue Trends
Ein anhaltender Trend ist der Missbrauch von Lachgas (Distickstoffmonoxid) zu Rauschzwecken. Durch den Konsum entstehen erhebliche gesundheitliche Auswirkungen bis hin zum Todeseintritt. Im Jahr 2023 wurden 11 Todesfälle in Zusammenhang mit Lachgas registriert, Tendenz steigend. Aufgrund fehlender Regulierung besteht keine Meldeverpflichtung und es kann legal gehandelt werden.
Ebenfalls auffällig zu beobachten ist die zunehmende Verbreitung von HHC (Hexahydrocannabinol), synthetischen Cathinonen sowie von Lebensmitteln, insbesondere Fruchtgummis, die mit THC (Tetrahydrocannabinol), HHC oder Neuen Psychoaktiven Substanzen (NPS) versetzt wurden.
Fentanyl ist ebenfalls auf dem deutschen Rauschgiftmarkt zunehmend sichtbar, spielt jedoch aktuell eine untergeordnete Rolle. Die Entwicklung wird auf nationaler und europäischer Ebene weiterhin beobachtet.
Rauschgiftkriminalität in Deutschland
Eine Steigerung gab es sowohl bei den Handelsdelikten (+ 6 Prozent), den konsumnahen Delikten (+ 1 Prozent) als auch bei den sonstigen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) (+ 3Prozent). In der Gesamtzahl der Rauschgiftdelikte 2023 sind 519 Fälle (-30,6 Prozent) gem. § 4 Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) enthalten.
Erklärung Deliktarten
- Der Begriff „konsumnahe Delikte“ umschreibt allgemeine Verstöße gegen das BtMG. Diese betreffen Delikte nach § 29 BtMG, die den Besitz, den Erwerb und die Abgabe von Betäubungsmitteln (BtM) umfassen.
- Unter dem Begriff „Handelsdelikte“ werden Delikte des unerlaubten Handels mit und Schmuggels von Rauschgiften nach § 29 BtMG sowie die Delikte der unerlaubten Einfuhr von BtM nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zusammengefasst.
- Unter „sonstige Verstöße“ fallen: unerlaubter Anbau von BtM (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG), BtM-Anbau, BtM-Herstellung und BtM-Handel als Mitglied einer Bande (§§ 30 Abs. 1 Nr. 1, 30a BtMG), Bereitstellung von Geldmitteln o. ä. Vermögensgegenständen (§ 29 Abs. 1 Nr. 13 BtMG), Werbung für BtM (§ 29 Abs. 1 Nr. 8 BtMG), Abgabe, Verabreichung oder Überlassung von BtM an Minderjährige (§ 29 a Abs. 1 Nr. 1, ggf. § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG), leichtfertige Verursachung des Todes eines anderen durch Abgabe, Verabreichung oder Überlassung von BtM zum unmittelbaren Verbrauch (§ 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG), Verschreibung und Verabreichung durch Ärzte (§ 29 Abs. 1 Nr. 6 BtMG) und unerlaubter Handel mit bzw. Herstellung, Abgabe, Besitz von BtM in nicht geringer Menge (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG).
.
Rauschgifthandel über das Internet und Messenger-Dienste
Der Handel von Betäubungsmitteln über das Internet ist fest etabliert. Vom Ende des Jahres 2022 bis Mitte Juni 2023 haben sich sowohl die weltweiten als auch die deutschen Angebotszahlen auf ein Rekordniveau erhöht. Die Abschaltung verschiedener Marktplätze, z.B. durch sogenannte Exit Scams oder durch Maßnahmen der Sicherheitsbehörden, hat allerdings dazu geführt, dass der Handel bis Ende 2023 wieder auf ein stabiles Niveau gesunken ist.
Der Handel von Rauschgift erfolgt zunehmend über Messenger-Dienste. Dabei werden häufig offen zugängliche Chat-Gruppen zum Bewerben von Betäubungsmitteln genutzt. Die tatsächlichen Verkaufsgespräche finden dann zumeist in privaten Chats statt. Zudem hat sich der Handel von Rauschgift auf Social-Media-Plattformen etabliert. Diese Plattformen werden überwiegend von jungen Erwachsenen und Jugendlichen genutzt. Ohne aktiv nach Rauschgift zu suchen, geraten diese Personengruppen frühzeitig und umfassend an professionell präsentierte Rauschgiftangebote. Die Anbahnung der Drogengeschäfte läuft dabei über zahlreiche offene Accounts und wird den Kunden somit sehr leicht gemacht.
Maßnahmen der Polizei zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität
Bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität setzt die Polizei an allen Punkten der Logistikkette an, um gegen Einfuhr und Handel von Rauschgift vorzugehen.
Rauschgiftdelikte sind Kontrolldelikte – Was bedeutet das?
Rauschgiftkriminalität gehört zur „Kontrollkriminalität“. Diese Straftaten werden überwiegend durch eigeninitiierte Polizeikontrollen entdeckt. Ohne polizeiliche Kontrollen blieben die meisten Delikte der Rauschgiftkriminalität unentdeckt.
Ein Fokus der Sicherheitsbehörden und auch des BKA liegt auf der Eindämmung des Rauschgifthandels über den Seeweg. Hier gibt es verschiedene internationale Projekte und Maßnahmen, bei denen Polizei, Zoll und auch private Unternehmen vor allem in den Häfen zusammenarbeiten.
Zu nennen ist hier etwa das EU-finanzierte Projekt „INOK- Infiltration der Nordseehäfen durch OK“, welches das Ziel hat, die Nutzung legaler Logistikstrukturen in den Seehäfen durch kriminelle Gruppierungen des international organisierten Rauschgifts, insbesondere Kokainschmuggels, zu unterbinden. Das Projekt wird gemeinsam von BKA, den Landeskriminalämter Hamburg, Bremen und Niedersachsen, dem Zollkriminalamt und dem Zollfahndungsamt Hamburg sowie in enger Kooperation mit den niederländischen und belgischen Behörden durchgeführt.
Auch Europol beobachtet und bewertet die Sicherheit in europäischen Häfen aufmerksam. Mehr Informationen hierzu finden Sie hier: https://www.europol.europa.eu/publications-events/publications/criminal-networks-in-eu-ports-risks-and-challenges-for-law-enforcement
Neben den Maßnahmen in Europa ist auch die Zusammenarbeit mit den südamerikanischen Herkunfts- und Transitländern von besonderer Bedeutung. Das Bundeskriminalamt hat daher u.a. Verbindungsbeamte in Kolumbien, Peru, Panama und Brasilien, die einen wichtigen Beitrag für die Zusammenarbeit leisten.
Mehr drogenbedingte Todesfälle
Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 2.227 drogenbedingte Todesfälle polizeilich registriert. Dies entspricht einem Anstieg von rund 11,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr (2022: 1.990 Fälle).
Unter den Drogentoten waren 1.844 Männer (82,8 Prozent) und 383 Frauen (17,2 Prozent). Das Durchschnittsalter lag bei 41 Jahren.
Immer häufiger greifen Konsumentinnen und Konsumenten auf mehrere Substanzen gleichzeitig zurück, entsprechend ist die Anzahl an Mischintoxikationen gestiegen. So sind im vergangenen Jahr 1.479 Personen an den Folgen eines Mischkonsums gestorben, 34 Prozent mehr als noch 2022.
Präventions- und Hilfsangebote
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
www.bzga.de - Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.
www.dhs.de - Infotelefon zur Suchtvorbeugung:
https://www.bzga.de/service/infotelefone/suchtvorbeugung/ - Sucht- und Drogen-Hotline für Menschen mit Suchtproblemen und Angehörige:
https://www.sucht-und-drogen-hotline.de/index.html - Einrichtungsdatenbank der deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) mit Infos zu regionalen Suchtberatungsstellen:
https://www.dhs.de/service/suchthilfeverzeichnis - Selbsthilfegruppen für suchtgefährdete und suchtkranke Menschen und ihre Angehörigen:
https://www.nakos.de/