Bundeskriminalamt (BKA)

Bundeslagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2023“

Meldung Datum: 19. November 2024

Straftaten gegen Frauen und Mädchen steigen in allen Bereichen

Gewalt gegen Frauen nimmt in Deutschland weiter zu. Das zeigt das Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2023“. Das Lagebild, das in dieser Form erstmals erscheint, enthält sowohl Daten zu vorurteilsgeleiteten Straftaten gegen Frauen, als auch Zahlen zu Delikten, die überwiegend zum Nachteil von Frauen begangen werden.

Das Lagebild stellte BKA-Vizepräsident Michael Kretschmer am 19. November 2024 gemeinsam mit der Bundesinnenministerin Nancy Faeser sowie der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus, in Berlin vor.

Dabei betonte Michael Kretschmer, dass Hass und Gewalt gegen Frauen zunehmende gesellschaftliche Probleme sind, wie sich anhand der steigenden Zahlen zeigt. Es gelte daher auf Seiten der Sicherheitsbehörden, die Entwicklung der Zahlen genau zu beobachten, Tathintergründe zu erkennen und aufzuklären sowie vor allem konsequent gegen Täter vorzugehen.

Ziel des neuen Lagebildes ist die Bereitstellung einer aussagekräftigen Datenbasis zu geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichteten Straftaten. Denn: Diese Datenbasis kann zur Kriminalitätsbekämpfung und zur Prävention beitragen sowie in der kriminologischen Forschung genutzt werden. Das Lagebild kommt damit den Forderungen der sogenannten Istanbul-Konvention nach. Dabei handelt es sich um ein Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt. Es sieht eine ganzheitliche Gewaltschutzstrategie vor. Dazu gehört auch die Vorgabe, statistische Daten umfassend aufzubereiten und die Forschung in diesem Themenfeld zu stärken.

Datengrundlage des Bundeslagebilds

Das Bundeslagebild erfasst Straftaten, die sich aufgrund ihres Geschlechts gegen Frauen richten, in zwei Dimensionen:

  • Vorurteilsgeleitete Straftaten gegen Frauen: Diese werden im Rahmen der Politisch motivierten Kriminalität als Teil der Hasskriminalität erfasst. Tatmotivation sind dabei Vorurteile gegen Frauen oder das weibliche Geschlecht. Erfasst werden diese Taten im „Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK).
  • Straftaten, die überwiegend zum Nachteil von Frauen begangen werden oder in ihrer Ausprägung primär Frauen betreffen: Dabei werden für das Bundeslagebild fünf Fallgruppen gesondert in den Blick genommen: Sexualstraftaten, Häusliche Gewalt, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, Digitale Gewalt und Femizide. Grundlage für die Erhebung dieser Daten ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS).

Wie Politisch motivierte Straftaten in Deutschland erhoben werden, erfahren Sie hier.

Was die Polizeiliche Kriminalstatistik enthält, erfahren Sie hier.

Zentrale Erkenntnisse

Das Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ zeigt, dass sowohl vorurteilsgeleitete Straftaten gegen Frauen, als auch Straftaten, die überwiegend zum Nachteil von Frauen begangen werden, in Deutschland zunehmen.

So registrierte die Polizei im vergangenen Jahr 322 vorurteilsgeleitete Straftaten gegen Frauen im Bereich der Politisch Motivierten Kriminalität, ein Anstieg um 56,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für das Jahr 2023 wurden in diesem Bereich 29 frauenfeindliche Gewaltdelikte erfasst und damit fast doppelt so viele wie im Vorjahr (2022: 15).

Hinsichtlich der Deliktsfelder, die überwiegend zum Nachteil von Frauen begangen werden, wurden in allen betrachteten Fallgruppen steigende Opferzahlen registriert – und das auf einem teils sehr hohen Niveau:

  • Im Jahr 2023 wurden im Deliktsfeld der Häuslichen Gewalt 180.715 weibliche Opfer erfasst – 5,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
  • Bei Sexualstraftaten wurden 52.330 weibliche Opfer erfasst, eine Zunahme um 6,2 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022.
  • Von digitaler Gewalt waren 17.193 Frauen betroffen, 25 Prozent mehr als im Jahr 2022.
  • 938 Tötungsdelikte an Frauen wurden von der Polizei registriert, neun mehr als im Jahr zuvor. Bei 360 Frauen und Mädchen waren die Tötungsdelikte vollendet, bei 247 dieser Opfer handelte es sich um Häusliche Gewalt.
  • In der Fallgruppe Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung wurden 591 weibliche Opfer registriert, 6,9 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Zahlen im Detail

Häusliche Gewalt

Delikte häuslicher Gewalt beinhalten sowohl innerfamiliäre Gewalt als auch Partnerschaftsgewalt, unabhängig davon, ob das Opfer und die tatverdächtige Person zusammenwohnen. Es liegt bei häuslicher Gewalt immer eine persönliche Beziehung zwischen den Tatverdächtigen und Opfern vor. Delikte der Häuslichen Gewalt betreffen mit 70,5 Prozent Frauen und Mädchen überwiegend weibliche Opfer.

Im Jahr 2023 wurden 180.715 Frauen Opfer von Häuslicher Gewalt, erfasst, 5,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der erfassten Tatverdächtigen bei Fällen mit mindestens einem weiblichen Opfer belief sich auf 148.062. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen Anstieg von 5,0 Prozent.

Mehr Informationen zum Thema Häusliche Gewalt finden Sie im hier im Lagebild Häusliche Gewalt.

Sexualstraftaten

Die weit überwiegende Anzahl der Tatverdächtigen bei Fällen mit mindestens einem weiblichen Opfer der Fallgruppe Sexualstraftaten ist männlich. So liegt ihr Anteil bei Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexuellem Übergriff bei 98,9 Prozent, bei sexueller Belästigung bei 98,7 Prozent und beim sexuellen Missbrauch von Kindern, Jugendlichen und Schutzbefohlenen ab 14 Jahren bei 95,5 Prozent.

Digitale Gewalt

Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten finden nicht nur im analogen Raum, sondern auch digital statt. Auch online werden Frauen immer häufiger zum Angriffsziel: 62,3 Prozent der Opfer Digitaler Gewalt sind weiblich. Zu Formen Digitaler Gewalt gehören Delikte wie „Cyberstalking“ oder „Cybergrooming“ sowie weitere Missbrauchsdelikte, die über das Internet begangen werden. Unter Cyberstalking versteht man das Nachstellen oder Überwachen einer Person mit digitalen Hilfsmitteln. Cybergrooming beschreibt die gezielte Anbahnung sexueller Kontakte mit Minderjährigen über das Internet.  Weitere Informationen zu Cybergrooming finden Sie hier.

Von digitaler Gewalt waren im vergangenen Jahr 17.193 Frauen betroffen, 25 Prozent mehr als im Jahr 2022. Die Polizei erfasste 12.691 Tatverdächtige bei Fällen mit mindestens einem weiblichen Opfer, eine Zunahme um 20,1 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022.

Tötungsdelikte an Frauen

Im Sinne des allgemeinen Verständnisses sind „Femizide“ Tötungsdelikte an Frauen, die getötet werden, weil sie Frauen sind. Der Täter wird von der Annahme einer geschlechtsbezogenen Ungleichwertigkeit von Frauen zu seiner Tat motiviert. In Deutschland treten unter anderem Tötungsdelikte zum Nachteil von Frauen sowohl in Form von Tötungen aus Frauenhass (Misogynie) als auch als Trennungstötung bzw. als Delikte auf, „die im Kontext patriarchalisch geprägter Familienverbände oder Gesellschaften vorrangig von Männern an Frauen verübt werden, um die aus Tätersicht verletzte Ehre der Familie oder des Mannes wiederherzustellen“ (Quelle: Oberwittler, D. / Kasselt, J. (2011). Ehrenmorde in Deutschland. Eine systematische Untersuchung ehrbezogener Tötungsdelikte in Familien und Partnerschaften zwischen 1996 und 2005 (Polizei + Forschung, Bd. 42, hrsg. vom Bundeskriminalamt)). Da für Femizide bislang keine einheitliche Definition existiert und die tatauslösende Motivation in der PKS nicht erfasst wird, wird im Lagebild die Gesamtzahl der weiblichen Opfer von Tötungsdelikten angegeben.

Insgesamt registrierte die Polizei im vergangenen Jahr 938 weibliche Opfer von Tötungsdelikten, neun mehr als im Jahr zuvor.360 Frauen und Mädchen wurden dabei Opfer eines vollendeten Tötungsdelikts. Ein Großteil dieser vollendeten Taten (68,6%) ist dem Bereich der Häuslichen Gewalt zuzuordnen. Im Jahr 2023 wurden 853 Tatverdächtige von Tötungsdelikten bei Fällen mit mindestens einem weiblichen Opfer erfasst.

Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung 

Ein Bestandteil des Lagebilds „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ ist auch die Fallgruppe Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung.

Insgesamt wurden im Jahr 2023 von der Polizei 591 weibliche Opfer in diesem Deliktsfeld registriert, eine Zunahme um 6,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der erfassten Tatverdächtigen lag bei 493, eine Zunahme um 6,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Zahlengrundlage und weitere Informationen zum Thema Menschenhandel

Neben dem Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung sind auch Zuhälterei und das Veranlassen zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder zu sexuellen Handlungen, durch die eine Person ausgebeutet wird, umfasst.

Zu beachten ist, dass es sich bei Menschenhandel weitgehend um ein sogenanntes Kontrolldelikt handelt, also eine Straftat, deren Auftreten meist durch Kontrollen festgestellt wird und die ansonsten weitgehend unbemerkt bleibt.

Mehr Informationen zum Thema Menschenhandel finden Sie im Bundeslagebild Menschenhandel 2023.

Ursachen der Gewalt gegen Frauen

Das Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ geht auch auf mögliche Ursachen für die steigenden Gewaltkriminalität gegen Frauen ein. Diese sind vielfältig, da auch die Formen von Gewalt gegen Frauen unterschiedliche Ausprägungen haben. Ein Grund sind gesellschaftliche Veränderungen: Die zunehmende Emanzipation von Frauen kann für Männer aufgrund der nach wie vor in unserer Gesellschaft verankerten patriarchalen Strukturen als Bedrohung ihrer männlichen Position bei traditionellen Rollenbildern aufgefasst werden. Die Ablehnung dessen kann letztlich auch in Gewalt münden. Nicht zu unterschätzen ist dabei die Rolle des Internets. Hassbotschaften, die sich gegen Frauen richten, werden breit gestreut und können Menschen dazu verleiten, sich in ihrer ablehnenden Haltung zu Frauen gegenseitig zu bestärken. Die Fehlwahrnehmung, dass diese Ablehnung von der Mehrheit der Gesellschaft geteilt wird, kann die Bereitschaft zu Gewalt an Frauen erhöhen.

Die hohen Zahlen können aber auch darauf zurückzuführen sein, dass sich die Anzeigebereitschaft der betroffenen Frauen sukzessive erhöht: Immer häufiger sind Frauen nicht bereit, Gewalt stillschweigend zu erdulden, sondern bringen Straftaten zur Anzeige – was sich in höheren Fallzahlen niederschlägt.

Polizeiliche Aufgaben des Bundeskriminalamtes

Die nachhaltige Bekämpfung der gegen Frauen gerichteten Straftaten hat für die deutsche Polizei eine hohe Bedeutung. Die Abteilungen des BKA unterstützen dieses Anliegen und setzen dafür ihr jeweiliges Spezialwissen ein.

  • Hass und Hetze im Netz: Ein Schwerpunkt des Bundeskriminalamtes ist die Bekämpfung von Hass im Netz. Gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern geht das BKA mit der Zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI BKA) gegen Hass und Hetze im Netz vor. Dadurch soll einer zunehmenden Verrohung der Kommunikation in sozialen Netzwerken entgegenwirkt und eine effektive Strafverfolgung der dort begangenen Straftaten ermöglicht werden. Zudem hat das BKA gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main – Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) ein Projekt zur „Bekämpfung der Frauenfeindlichkeit im Internet" durchgeführt. In diesem Zusammenhang wurde im Jahr 2024 ein bundesweiter Aktionstag gegen die Verfasser von frauenfeindlichen Postings mit strafrechtlicher Relevanz im Internet durchgeführt. Dazu finden Sie weitere Informationen hier.
  • Sexuelle Ausbeutung: Eine weitere Aufgabe des Bundeskriminalamtes ist die Bekämpfung des Menschenhandels. Zuständig dafür ist die Abteilung „Schwere und Organisierte Kriminalität“. Wichtig ist dabei ein übergreifender Ansatz, der die Analyse der Lage, gezielte polizeiliche Maßnahmen sowie die Prävention beinhaltet. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Projekt „Trafficking Human Beings Liberi“, kurz THB Liberi, mit dem das BKA sowohl Austauschformate für Expertinnen und Experten bietet, als auch konkrete polizeiliche Maßnahmen und Präventionsprojekte entwickelt. Mehr zu „THB Liberi“ finden Sie hier.
  • Tötungsdelikte an Frauen: Das BKA beteiligt sich seit dem Jahr 2023 an der internationalen Fahndungskampagne „IdentifyMe“. Die Kampagne verfolgt das Ziel, unbekannte weibliche Opfer von Tötungsdelikten zu identifizieren. Zuständig für die Umsetzung sind die Abteilungen „Zentraler Informations- und Fahndungsdienst“ sowie„Schwere und Organisierte Kriminalität“. Weitere Informationen zu „IdentifyMe“ finden Sie hier.

Forschung des BKA

Die kriminologische Forschung ist eine wichtige Aufgabe des BKA – und umfasst auch das Thema „Gewalt gegen Frauen“. Aktuell betreibt das BKA die breit angelegte Dunkelfeld-Opferbefragung „Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag (LeSuBiA)“. Dabei wird die Gewaltbetroffenheit in Deutschland geschlechterübergreifend untersucht. Schwerpunkte sind dabei erlebte Gewalt in (Ex-)Partnerschaften, sexualisierte und digitale Gewalt. Informationen zu dem Forschungsprojekt finden Sie hier.

Das BKA beteiligt sich zudem am Projekt CERES („Cybergrooming – Erforschung von Risikofaktoren, Ermittlungspraxis und Schutzmaßnahmen“), das auf den (wissenschaftlichen) Erkenntnisgewinn zum Phänomen Cybergrooming ausgerichtet ist. Erforscht werden das Hell- und Dunkelfeld, die Täter/-innen- und Opferperspektive, Ermittlungsansätze sowie Präventionsmöglichkeiten. Zum Phänomen des Cybergroomings hat das BKA hier umfassend informiert. 

Hilfs- und Präventionsangebote

  • Weisser Ring e.V.
    Schnelle und direkte Hilfe für Opfer von Kriminalität. Sachkundiger und anerkannter Ansprechpartner für Fragen der Opferhilfe und des Opferschutzes.
    Onlineberatung: https://weisser-ring.de/hilfe-fuer-opfer/onlineberatung
    Telefon: 116 006
  • Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen"
    Telefon: 116 016
  • Kinder- und Jugendtelefon „Nummer gegen Kummer"
    Telefon: 116 111
  • Hilfetelefon bei sexualisierter Gewalt
    Telefon: 0800 22 55 530
  • Telefonseelsorge
    Telefon: 0800 1110111 oder 0800 1110222
  • Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK)